Ist die Weltmeisterin ein Mann?

800-m-Siegerin Caster Semenya (Südafrika) ist Verdachtsmomenten ausgesetzt

Sie ist erst 18 Jahre, ein Jungstar, der erst im Juli – drei Wochen vor den WM in Berlin – wie Phönix aus der Asche aufstieg und mit einer 800-m-Zeit von 1:56,72 min in die Weltspitze vorstieß: die Südafrikanerin Caster Semenya (Foto: dpa), die neue Weltmeisterin über 800 m, die in Jahresweltbestzeit von 1:55,45 min vor Kenias Titelverteidigerin Janeth Jepkosgei (1:57,90) und der Britin Jennifer Meadows (1:57,93) siegte.

Doch inzwischen ist eine heftige Diskussion um sie entbrannt. Ist Semenya eine Frau oder ein Mann? Bislang gibt es aufgrund ihrer männlichen Erscheinung nur Verdachtsmomente, aber der Weltverband IAAF veranlasste, dass sie sich einem Geschlechtstest unterziehen muss.

»Wir haben keine Beweise, um ihr einen Start nicht zu erlauben«, hatte IAAF-Sprecher Nick Davies vor dem WM-Finale erklärt und betont: »Wir werden diskret und sensibel mit dem medizinischen Fall umgehen.« Davies stellte zudem klar, dass dieser Vorgang »nicht mit einem Dopingvergehen vergleichbar« sei.

Der Leichtathletik-Verband Südafrikas wies am späten Donnerstagabend auf einer Pressekonferenz mit den drei Medaillengewinnerinnen die Spekulationen entschieden zurück: »Es gibt für uns keinen Verdacht, dass Semenya ein Mann ist.« Der Vorsitzende Leonard Chuene beschuldigte sogar einen Teil der heimischen Medien, den Verdacht zu nähren.

So mischt sich in den nationalen Stolz Südafrikas, wo auf den Titelseiten das »Golden Girl« gefeiert wird, auch tiefe Empörung. Dabei wird offen die Frage aufgeworfen, ob nicht neidische Wettbewerber Semenya den Erfolg streitig machen und sie diskreditieren wollen.

In der Sportgeschichte hatte es wiederholt Fälle gegeben, dass Männer unwissentlich als Frauen an den Start gingen. Erinnert sei an die gebürtige Polin Stanislawa Walasiewicz, die nach ihrer Auswanderung in die USA den Namen Stella Walsh annahm und 1932 in Los Angeles über 100 m Olympiagold und 1936 in Berlin Silber holte. Erst Ende 1980, als sie in ihrer Heimatstadt Cleveland (Ohio) auf dem Parkplatz eines Supermarktes Opfer eines Raubüberfalls wurde, wurden bei einer Obduktion geschlechtliche Anomalien festgestellt. Offensichtlich war sie ein maskuliner Pseudo-Zwitter mit äußeren männlichen Geschlechtsorganen. Sie hätte also nicht als Frau starten dürfen.

Geschlechtstests sind bei den Olympischen Spielen 1968 eingeführt worden, doch vor den Sommerspielen 2000 in Sydney wurde die sogenannte »Gender verification« wieder abgeschafft. Bei den Asienspielen 2006 in Doha musste die indische Leichtathletin Santhi Soundarajan ihre 800-m-Silbermedaille wieder abgeben, nachdem sich bei einem Geschlechtstest herausgestellt hatte, dass sie von der Chromosomen-Konstellation her männlich und nicht weiblich ist.

Frauen weisen normalerweise zwei X-Chromosomen (XX) in ihren Zellen auf, Männer ein X- und ein Y-Chromosom (XY). Manche mit einem Y-Chromosom geborene Menschen entwickeln alle körperlich charakteristischen Merkmale einer Frau – ausgenommen die internen Sexualorgane. Die unter dem Androgen Insuffizienz Syndrom leidenden Frauen sind XY, aber dennoch kein Mann, weil ihr Körper nicht auf das produzierte Testosteron reagiert.

Im Fall Semenya sollen die Ergebnisse der genetischen Untersuchung, so Nick Davies, innerhalb einer Woche vorliegen.

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