Wie Boris, der Zauberer, einen Bagger verschwinden ließ

Polizeiobermeister betätigte sich in seiner Freizeit als Großgerätedieb und wollte das fette Geld machen

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Peter Kirschey aus Berliner Gerichtsälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtsälen

Aus meiner Zeit als Junger Pionier, das ist schon fast sechs Jahrzehnte her, ist mir ein Lied vom fleißigen Baggerfahrer, der friedlich und für unser aller Wohl gigantische Erdmassen bewegt, damit einmal schöne Häuser in Berlin entstehen können, noch in schwacher Erinnerung. Zumindest beförderte es den Berufswunsch: Wenn ich einmal groß bin, werde ich Baggerfahrer. Es kam, wie so oft im Leben, ein klein wenig anders.

Es war nicht der Kindertraum, Baggerfahrer zu werden, der den 48-jährigen Boris E. bewog, sich mit kräftigen Geräten zu befassen, die sich voller Saft und Kraft ins Erdreich fressen. Es war die Gier nach dem großen Geld, die den Polizeiobermeister Boris dazu trieb, sich auf kriminelle Geschäfte einzulassen.

Und so einen Bagger »JCB 8015«, auch wenn es ein Mini ist, den klaut man nicht so einfach wie eine Flasche Schnaps in der Kaufhalle. Dazu sind viele Leute notwendig, die alle mitspielen müssen. Boris, der Polizist, war einer aus der Bande. Die Sache liegt nunmehr sechs Jahre zurück. Einige sind bereits verurteilt, jetzt ist Boris dran. Angeklagt wegen Anstiftung zur Unterschlagung, Hehlerei und Betrug. Der unscheinbare Herr schweigt und will erst einmal abwarten, was die anderen sagen, die genauso wie er Dreck am Stecken haben und sich deshalb genau überlegen, was sie dem Gericht mitteilen. Nämlich gar nichts. Dabei ist die Sachlage klar.

In den Oktobertagen 2003 trafen sich Kumpel Karsten und Kumpel Boris auf dem Grundstück von Kumpel Heino, dessen Schwester ebenfalls Polizistin ist, beim Bier in Falkensee. Heino baggerte gerade mit einem geliehenen Minibagger eine Grube. Da beschlossen die drei, das schwere Gerät untertauchen zu lassen. Sie transportierten es auf das Grundstück von Kumpel Karstens Vater und versteckten es im Schuppen. Am nächsten Tag ging Heino auf Zuraten von Boris zur Polizei und meldete den Diebstahl des Minibaggers.

Noch dreister der Coup im Februar 2004 mit einem Radlader »Kramer 418«. Der Koloss stand friedlich abgestellt an einer Landstraße, als die Bande das Fahrzeug entführte und auf einem Grundstück bei Brieselang unter Planen versteckte. Der Erfolg mit dem Minibagger stieg Boris offenbar zu Kopf. Jetzt wollte er seine Mittäter ausschalten, um allein zu kassieren. Also organisierte er zwei, drei Personen, die sich sehr auffällig um das Gelände kümmerten. Seinen Radlader-Mitdieben erklärte er, das Grundstück werde von der Polizei observiert, das Fahrzeug müsse schnell verschwinden. So geschah es. Der Brummer tauchte in Sachsen-Anhalt unter.

Am Tage versah der Polizeiobermeister Boris brav seinen Dienst im Abschnitt 22 in Spandau. In den Abendstunden ging er per Internet auf Suche nach potenziellen Käufern. Die fand er. Die Gerätschaften wurden für 6800 und 25 000 Euro verscherbelt, das Geld unter allen Beteiligten aufgeteilt.

Was er nicht wusste: Ermittler des Landeskriminalamtes klebten schon an seinen Hacken. Es war durchgesickert, dass der Gauner in Uniform sich sehr intensiv mit dem Diebstahl der Großgeräte beschäftigte, obwohl es gar nicht zu seinem Aufgabenbereich gehörte. Schon einmal war Boris auffällig geworden. Sein VW-Transporter geriet 2002 in eine Polizeikontrolle. Im Laderaum ein Bolzenschneider, Elektroschocker und ein gestohlenes Nummernschild. Boris konnte alles erklären und damit hatte sich die Angelegenheit erledigt. Doch als sein Name immer öfter im Zusammenhang mit den Großgeräten fiel, ließen ihn die Kriminalisten des LKA nicht mehr aus den Augen. Nebenbei kam ans Tageslicht, dass der Polizeiabschnitt 22 an der Charlottenburger Chaussee schlicht gesagt ein Sauhaufen war, wo einige ihr kriminelles Süppchen kochten. Boris' Vorgesetzter wurde wegen Betrugs und Vortäuschens einer Straftat in Potsdam verurteilt. Und auch Polizeiobermeister Boris ist bis zu einem rechtsgültigen Urteil Polizist. Er ist vom Dienst freigestellt und bekommt weiterhin – wenn auch gekürzt – Bezüge.

Das Erstaunliche an dem Fall ist die Naivität, mit der die Täter ans Werk gingen. Jeder mit normalem Menschverstand ausgerüstete Erdenbürger sagt sich: So etwas kann doch gar nicht gut gehen, früher oder später wird der Maschinenklau auffliegen. Doch bei Kumpel Boris müssen die Uhren anders getickt und der Blick auf den Beutegewinn die Sinne vernebelt haben. Und das, bekanntermaßen, gibt es nicht nur bei der Polizei.

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