nd-aktuell.de / 09.09.2009 / Politik / Seite 2

Brüssel ist erleichtert

Carsten Hübner

Die Erleichterung war in Brüssel mit Händen zu greifen, als das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni seine Entscheidung verkündete. Nicht der EU-Vertrag von Lissabon, so die Karlsruher Richter, sondern lediglich das deutsche Begleitgesetz widerspreche in wesentlichen Punkten dem Grundgesetz, weil es dem Bundestag und dem Bundesrat keine ausreichenden Beteiligungsrechte an »europäischen Rechtsetzungs- und Vertragsänderungsverfahren« einräume. Ein Malus, der mit Blick auf die politischen Mehrheitsverhältnisse in Deutschland schnell zu korrigieren schien.

Vielseitige Zuversicht

»Ich bin zuversichtlich, dass das Gericht mit diesem Urteil den Weg für den raschen Abschluss der deutschen Ratifizierung des Vertrags von Lissabon geebnet hat«, verkündete EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Die zusätzlichen Rechte für das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente seien ein Fortschritt. Er setze darauf, dass das Verfahren in allen Ländern bis Herbst abgeschlossen werden könne. Gleichzeitig mahnte er, der Vertrag sei »unabdingbar für die Handlungsfähigkeit der EU in der jetzigen Zeit«. Auch der amtierende EU-Ratspräsident und schwedische Außenminister Carl Bildt zeigte sich nach dem Urteil zuversichtlich, dass die Europäische Union am bisherigen Zeitplan festhalten könne. Das Szenario für die kommenden Monate werde sich nicht ändern, sagte er in Stockholm. Ziel sei, dass das Regelwerk bis Ende 2009 in Kraft tritt.

Auf die Diskussion in der CDU/CSU, das Begleitgesetz durch einen Entschließungsantrag zu flankieren, wonach eine Zustimmung Deutschlands zum Lissabon-Vertrag nur im Rahmen der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts gelten solle, reagierte der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen (SPD), gereizt. »Jetzt noch draufzusatteln wäre gefährlich. Der Abschluss der Ratifikation darf nicht gefährdet werden«, unterstrich er. Deutschland dürfe nicht verantwortlich sein für eine Verzögerung des Reformvertrags »und damit für eine institutionelle Krise in der Europäischen Union«. Mit dem nun vorliegenden Entwurf sei er »durchaus zufrieden«, so Verheugen. »Das Begleitgesetz birgt keine Probleme für die notwendige Weiterentwicklung der Europäischen Union. Vielmehr kann und muss es dazu führen, dass die europapolitische Diskussion in Deutschland kompetenter und effektiver wird.«

Furcht vor Schwerfälligkeit

Ebenso interpretierte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker die deutschen Gesetze: Die Bundestagsfraktionen hätten es damit verstanden, der deutschen Bundesregierung in Brüssel keine Fesseln anzulegen, lobte er. Demgegenüber befürchtet das Lobby-Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland (EBD), in dem 171 Organisationen aus Politik und Gesellschaft zusammengeschlossen sind, dass die deutsche Europapolitik künftig in den Entscheidungsabläufen schwerfälliger wird. Allerdings geht auch die EBD davon aus, dass der Vertrag von Lissabon noch in diesem Jahr ratifiziert wird und damit Anfang 2010 in Kraft treten kann.