Aktien gegen den Landschaftsausverkauf

Die Regionalwert AG will bäuerliche Kulturlandschaft retten und setzt auf Nachhaltigkeit

  • Michael Scheuermann, Freiburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Regionalwert AG ist wohl eine der außergewöhnlichsten Aktiengesellschaften Deutschlands. Ihre Initiatoren haben es sich zum Ziel gesetzt, den Ökolandbau zu fördern.
Christian Hiß (Mitte) prüft die Biosalat-Ernte.
Christian Hiß (Mitte) prüft die Biosalat-Ernte.

Maisfelder prägen zunehmend das Landschaftsbild des Rheintals zwischen Lörrach und Karlsruhe. Der subventionierte Anbau verspricht einigermaßen sichere Gewinne in landwirtschaftlich schwierigen Zeiten. Christian Hiß, Ökogärtner in Eichstetten am Kaiserstuhl, wollte aber nicht mehr mit ansehen, wie Futtermaiskulturen die abwechslungsreiche Landschaft seiner Heimat allmählich in Monotonie verwandeln, und gründete die Regionalwert AG, eine Aktiengesellschaft zum Erhalt bäuerlicher Kulturlandschaft. 40 Aktionäre, darunter die Pächter eines Demeter Milchviehbetriebs, brachten vor knapp drei Jahren das Grundkapital von 385 000 Euro ein, erzählt Vorstandsvorsitzender Hiß. Im Sommer 2008 stockte die Aktiengesellschaft auf rund 1,4 Millionen Euro auf. Auf der letzten Hauptversammlung wurde eine weitere Kapitalerhöhung von knapp 700 000 Euro beschlossen. »Alles Namensaktien, die nicht an der Börse gehandelt werden«, betont Hiß. Nur mit Zustimmung der AG könnten Wertpapiere den Besitzer wechseln. So würden nur Aktionäre beteiligt, die hinter den Zielen stünden.

Allein »mit ideellen Werten« sei keine AG zu gründen, lächelt der Ökogärtner. Das Aktiengesetz verlange reale Gegenwerte. Hiß ließ seinen landwirtschaftlichen Besitz schätzen und gab im Jahr 2006 Aktien im Wert von je 500 Euro auf »Betriebsgebäude, Äcker und einen Kuhstall« aus. Das eigentliche Kapital, die Gebäude und Felder, würde nun an Landwirte und Unternehmen mit ökologischem Anspruch verpachtet. Ein »Netzwerk zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft« solle so aufgebaut und zudem Höfe mit Nachfolgeproblemen vor dem Aus bewahrt werden. Auch Beteiligungen an konventionellen Unternehmen kämen in Frage, wenn diese in einer bestimmten Zeit auf Öko-Landbau umstellen.

Die »sicher planbaren Pachteinnahmen« dienen dem Erhalt der Gebäude und Böden, so der 48-Jährige. Daneben würden Kapitalaufstockungen genutzt, um weitere Projekte zu verwirklichen. Und das seien einige, erklärt Hiß. Neben »Querbeet« und Milchviehbetrieb gehört auch ein Bioladen in Freiburg dazu. Eine Betriebswohnung für die Milchbauernfamilie ist ebenso in Planung wie ein Cateringunternehmen für Bioverpflegung in Schulen und eine von Hof zu Hof ziehende Lohnkäserei. Im August wurde der Ankauf einer weiteren Gärtnerei bei Freiburg vertragsreif. Da sie ausschließlich an Öko-Landwirte und -Unternehmen vergeben wird, entstehe eine »vernetzte Wertschöpfungskette, die Regionalität und Nachhaltigkeit« gewährleiste, so Hiß. Die Kühe vom Milchbetrieb liefern Käse, Fleisch und Mist für die Gärtnereien. Die produzierten hochwertiges Gemüse, das im Ökoladen verkauft oder im Cateringunternehmen weiterverarbeitet werde.

Banken unterstützen dieses Ziel nicht, musste der Familienvater erfahren. Naturschutz und der Erhalt bäuerlicher Kultur werfe eben keinen erkennbaren Gewinn ab. Dennoch sieht Hiß einen Ertrag in doppelter Weise gegeben: Durch das eingesetzte Kapital und die »nachhaltige Sicherung und Steigerung mehrdimensionalen Wohlstands« wie Naturschutz und sozialökologische Werte.

Otto Hülter-Hassler aus Endingen ist einer der 280 Aktionäre, die 2008 Anteile erwarben. So könne er sich für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen, sagt der passionierte Jäger. Durch den industrialisierten Maisanbau sei es vielerorts »kahl geworden«. 20 Anteile hält der 57-jährige Biolandwirt nun. In der Beteiligung sieht er eine Möglichkeit, seinen vier Kindern »einen Teil der Heimat zu erhalten«. Nicht »der monetäre, sondern der gesellschaftliche Gewinn« sei für ihn ausschlaggebend.

Genauso wenig auf Aktiengewinne setzt Daniel Meyer aus Freiburg. Als Versicherungsmakler kenne er viele »eigentlich konservative Wertpapierfonds, die nur grün angemalt sind«. Der 36-Jährige und seine Lebensgefährtin beteiligen sich am Projekt, weil sie »sich Gedanken machen, wie es auf der Erde weitergehen soll«. Auch der ehemalige Bürgermeister von Eichstetten, Gerhard Kiechle, ist von Anfang an dabei. In 24 Jahren Amtszeit habe er sich »für ökologischen Landbau am Ort eingesetzt,« wie er betont. Jetzt sitzt der 61-Jährige im Aufsichtsrat der Regionalwert AG.

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