nd-aktuell.de / 21.09.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Der Botschafter

Thomas Straubhaar / Der Volkswirtschaftler fordert eine Mehrwertsteuer-Erhöhung

Fabian Lambeck

Einer musste den Drecksjob erledigen und die sozialpolitische Kassandra mimen. Einer musste verkünden, was dem Wahlvolk nach dem Urnengang am 27. September bevorsteht. Die unfrohe Botschaft überbrachte nun einer, der sich auskennt: Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Der gebürtige Schweizer durfte am vergangenen Freitag in der Online-Ausgabe des »Spiegel« groß und breit darlegen, warum eine Erhöhung der Mehrwertsteuer Deutschland »retten kann«. Der verängstigte Leser fragte sich, wovor Deutschland gerettet werden müsse. Die Antwort blieb der Professor für Volkswirtschaftslehre nicht schuldig: Deutschland, so der Befund des 52-jährigen Eidgenossen, leide an »kapitalismuskritischer Kälte«. Das schwäche die »schöpferische Kraft des Wettbewerbs«.

Deshalb fordert der Volkswirtschaftler eine »Agenda 2020«. Die Analogie ist bewusst gewählt, denn seine Forderungen atmen den Geist der Schröderschen »Agenda 2010«. Ginge es nach Straubhaar, dann würden demnächst die direkten Steuern sinken. Davon würden vor allem Besserverdienende und Unternehmen profitieren. Doch das Geld für diese Steuergeschenke muss natürlich wieder reinkommen, deshalb sollen gleichzeitig die indirekten Steuern steigen. Eine solche Mehrwertsteuererhöhung trifft alle, die Armen aber härter. Die Allgemeinheit finanziert also wieder einmal die Steuergeschenke für Konzerne und Spitzenverdiener. Und was wäre eine waschechte Agenda ohne die Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten? Auch hier setzt der Schweizer seine Duftmarke und stellt fest, dass die »Sozialversicherungssysteme nicht mehr über die Lohnnebenkosten finanziert werden« dürften. Die Arbeitgeber sollen also auch hier entlastet werden.

Die »Agenda 2020« deckt sich verdächtig genau mit den Forderungen der Arbeitgeberverbände. Und siehe da: Straubhaar ist seit Jahren als Botschafter und »Berater« der Initiative für eine Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) unterwegs. Die INSM ist eine Lobbyorganisation des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und soll »marktwirtschaftlichen Reformen« den Boden bereiten. Der Botschafter hat also wieder ganze Arbeit geleistet.