nd-aktuell.de / 22.09.2009 / Brandenburg / Seite 18

Dresden als warnendes Beispiel

Keine neuen Häuser um Marienkirche und Rathaus / Anträge von CDU und FDP abgelehnt

Bernd Kammer

Das war immerhin ein origineller Vorschlag, den die Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig gestern im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses machte: Den bisher namenlosen großen Freiraum zwischen Bahnhof Alexanderplatz, Rotem Rathaus und dem Humboldt-Forum am Schlossplatz würde sie nach Willy Brandt benennen, sagte sie in Richtung SPD-Fraktion. Deren Mitglieder zeigten dafür aber ebenso wenig Verständnis wie die Kollegen aus den anderen Fraktionen. Denn mit dem Roten Rathaus sei Brandt nun wirklich nicht in Verbindung zu bringen, so FDP-Abgeordneter Klaus-Peter von Lüdeke.

Für Thomas Flierl (LINKE) sind es ohnehin drei Bereiche, um die es geht: Das Marx-Engels-Forum, das eher ein Hain denn ein Forum sei, der städtische Platz vor dem Rathaus und das Freizeit- und Erholungs-Areal um den Fernsehturm. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung firmiert dieser Raum neuerdings als »Rathausforum«.

Die kleine Namensdebatte war ausgelöst worden durch einen Antrag der CDU-Fraktion zur »Bebauung des Marx-Engels-Forums«. Die CDU möchte die »historische Mitte Berlins« zurückgewinnen und eine »städtebauliche Brücke zwischen Hackeschem Markt und dem Nikolaiviertel sowie dem Humboldt-Forum und dem Alexanderplatz« herstellen. Auch die FDP hatte beantragt, »einen Planungsprozess für das Areal« einzuleiten und plädierte u.a. für die »Festlegung einer neuen Fassung der Marienkirche, des Rathaus- und Bahnhofsvorfeldes«.

Für ihren Vorstoß nutzten die beiden Oppositionsparteien ganz listig Forderungen, die auch schon aus dem Roten Rathaus zu hören waren. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Kulturstaatssekretär André Schmitz wünschten sich bereits Anfang des Jahres den Wiederaufbau der Berliner Altstadt. Im Senat konnten sie sich damit aber nicht durchsetzen. Der Senat beschloss mittlerweile Grundsätze für die Entwicklung des Areals, die vom Erhalt des grüngeprägten Freiraums »als Grundlage der städtebaulichen Qualifizierung« ausgehen. Bebauungsüberlegungen seien »im Zeitalter des Klimawandels äußerst kritisch zu prüfen«. Ein wenig Zeit für die Planungen bleibt dem Senat noch. Bis 2017 wird ein Teil des Areals von der Schloss- und U-Bahn-Baustelle in Beschlag genommen. 2012 will der Senat einen Gestaltungswettbewerb ausschreiben.

»Der Bereich soll öffentlicher Raum bleiben, geprägt durch Solitäre wie Fernsehturm und Marienkirche«, sagte gestern Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Diese einfach einzubauen, sei nicht sinnvoll. Die Stadtgeschichte solle sichtbar gemacht werden, etwa durch Freilegen der Bodenfunde. Das Rathausforum habe allerdings auch Defizite, wie etwa die hohe Verkehrsbelastung an der Spandauer und Karl-Liebknecht-Straße, und müsse besser mit den Nachbarquartieren verbunden werden.

Auch die Grünen lehnen eine Bebauung auf den historischen Grundrissen ab. Das Areal sei als »Klima-Insel und Erholungsort für Touristen« notwendig, so Eichstädt-Bohlig. Bebauungs-Potenziale sieht sie nebenan am Molkenmarkt, der ab kommendem Jahr auch wieder in die historischen Parzellen aufgeteilt werden soll, und an der Breiten Straße. Unzufrieden ist sie mit der derzeitigen Gestaltung des Marx-Engels-Denkmals – dies müsse nicht wieder so ein »ödes Rund« sein.

Als warnendes Beispiel für einen Wiederaufbau des historischen Viertels um die Marienkirche nannte Flierl Dresden – was dort um die Frauenkirche entstanden sei, sei eine Katastrophe. Das Rathausforum könnte als Verbindungselement zwischen Ost und West funktionieren: »Hier kommt die Stadt zusammen.«

Die Anträge wurden von den Regierungsfraktionen sowie den Grünen abgelehnt.