Die Schlacht ist geschlagen, der Sieger heißt Garri Kasparow. Vier Tage blickte die Schachwelt nach Valencia, wo zwei Legenden des Denksports noch einmal ihre Figuren zogen. Im Palast der Künste triumphierte Kasparow im Schnellschach mit 3:1 über seinen russischen Landsmann Anatoli Karpow, obwohl er viereinhalb Jahre kein Turnier mehr gespielt hatte. Im Blitzschach stand es am Ende von acht Spielen noch deutlicher 6:2 für den Jüngeren der beiden Ex-Weltmeister.
Karpow hatte die 5-Minuten-Partien mit einem Sieg begonnen, es folgte ein Remis, dann hatte Kasparow sich warm gespielt. Er gewann fünf Partien in Folge, die meisten durch Zeitüberschreitungen. Anatoli Karpow erklärte, er habe gedacht, es gebe wie in den Schnellpartien fünf Sekunden Zeitbonus nach jedem Zug, doch es waren nur zwei. In etlichen Partien gewann Kasparow nur hauchdünn nach Zeit, da er wie früher mehr Energie am Brett zeigte als sein zwölf Jahre älterer Gegner. Dennoch applaudierte das Publikum dem Unterlegenen nicht weniger als dem Sieger. Das Ergebnis war diesmal nicht so wichtig wie bei früheren WM-Kämpfen der beiden. Gewürdigt werden sollte der 25. Jahrestag ihres ersten Duells um die WM-Krone in Moskau, dem eine ganze Serie dramatischer Zweikämpfe gefolgt war.
Kasparow hatte sich auf Valencia mit dem Norweger Magnus Carlsen vorbereitet, was sichtbare Früchte trug. Karpows Sekundanten waren die weniger bekannten Großmeister Alexander Onischuk (USA) und Alexander Rjasanzew (Russland).
Die beiden Ex-Champions logierten in unterschiedlichen Hotels. Man ging sich wie früher aus dem Weg und traf sich nur am Brett. Dennoch war die Stimmung zwischen beiden diesmal bedeutend friedlicher als früher, wo sie noch unter sowjetischer Flagge spielten. »Die Zeit heilt alles«, hatte Kasparow zum Auftakt in Valencia erklärt und lobend erwähnt, dass Karpow versucht habe, ihn im Gefängnis zu besuchen, nachdem er 2007 in Moskau wegen seines Engagements als russischer Oppositioneller verhaftet worden war. Karpow räumte ein, dass sein alter Rivale immer noch zu den besten Spielern der Welt gehöre. Was Kasparow dann auch eindrucksvoll bewies.
»Bobby Fischer
bleibt der Größte«
Am Rande des Matchs gab es ein Symposium zur Schachgeschichte, an dem auch Großmeister Lothar Schmid teilnahm. Der Bamberger war Schiedsrichter der WM zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski 1972 sowie 1986 zwischen Karpow und Kasparow. Letztere seien noch immer »in ihrer Art zu spielen, ganz einmalig. Kasparow zeigt geniale Kombinationen, Karpows Figurenmanöver sind sehr filigran, fast ohne Fehler. In einer ewigen Bestenliste würde ich beide Spieler auf Platz 2 und 3 hinter Bobby Fischer einordnen.«
Schmid verweist darauf, dass der US-Amerikaner Fischer aus einer anderen Welt kam und Autodidakt war. Dass er es ohne vergleichbares Hinterland bis zum Gipfel des Schacholymps schaffte, zeige seine einzigartige Größe.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/156381.kasparow-zeigt-fruehere-klasse.html