Lehrerin regiert Eisenhüttenstadt »mit links«

Sozialistin Dagmar Püschel zur Bürgermeisterin gewählt / Einwohner sollen beim Haushalt mitbestimmen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Dagmar Püschel ist Konrektorin der Goethe-Grundschule und unterrichtet z.B Musik.
Dagmar Püschel ist Konrektorin der Goethe-Grundschule und unterrichtet z.B Musik.

Dass es knapp wird bei der Bürgermeisterwahl in Eisenhüttenstadt, das hat die Linkspartei-Kandidatin Dagmar Püschel vorher gewusst. 48 zu 52 Prozent prognostizierte sie für das Duell mit dem langjährigen Amtsinhaber Rainer Werner (SPD). Doch wer die 48 Prozent bekommt und wer die 52, das ließ Püschel in ihrer Vorhersage bewusst offen. Erst am Donnerstag oder Freitag hatte die Grundschullehrerin das ziemlich sichere Gefühl, sie werde es schaffen. Für die Zuversicht sorgten die Eindrücke, die sie bei ihrem Straßenwahlkampf gewann. Da versprachen ihr sogar CDU-Anhänger die Stimme. »Die Wechselstimmung war ganz deutlich zu spüren«, sagt Püschel.

Das hat gewirkt: 8597 Eisenhüttenstädter stimmten am Sonntag für Dagmar Püschel, 7507 für Rainer Werner. Das entspricht 53,4 zu 46,6 Prozent. Andere Kandidaten gab es nicht. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,5 Prozent. SPD-Kommunalpolitiker zeigten sich geschockt und enttäuscht, und sie äußerten Zweifel, ob es der bisherigen Linksfraktionschefin in der Stadtverordnetenversammlung gelingen werde, Mehrheiten für ihre Politik zu organisieren.

Die Bedenken scheinen jedoch unbegründet zu sein. Von der CDU hieß es zum Beispiel, man wünsche Püschel alles Gute, jeder habe eine Chance verdient und der Mensch wachse schließlich mit seinen Aufgaben. Die Grünen drückten die Hoffnung aus, die neue Bürgermeisterin werde an die Erfolge Werners anknüpfen, aber auch neue Impulse setzen. Die FDP versicherte immerhin, man werde nicht generell auf Konfrontationskurs gehen. Nicht einmal die verärgerte SPD möchte Fundamentalopposition machen. Das scheint eine Basis zu sein für Dagmar Püschels Ziel, alle ins Boot zu holen. Sie will nicht gegen jemanden regieren und verweist darauf, dass von den Programmen her die Zusammenarbeit mit der SPD eigentlich am besten klappen müsste. Schon in der Vergangenheit habe die Linksfraktion viele ihrer Vorstellungen durchbekommen. Nur in wenigen Ausnahmefällen habe das in letzter Zeit nicht funktioniert.

Davon abgesehen sollen die Einwohner die Zukunft von Eisenhüttenstadt mitgestalten dürfen. Püschel schwebt ein Bürgerhaushalt vor. Dabei dürfen die Menschen beispielsweise selbst sagen, wo und wie Spielplätze gebaut werden.

Rainer Werner, Sohn eines Hochöfners und selbst einst im Stahlwerk beschäftigt, schwärmte von dem, was er in schwierigen Zeiten geleistet habe. »Kurs halten« wollte er und auf seiner Internetseite gab es eine extra Rubrik »Erfolge«, in der Ansiedlungen wie die einer Papierfabrik aufgelistet waren. Dagegen benannte Püschel ganz offen Probleme wie die wachsende Armut. »Verschleiern und beschönigen bringt nichts.« 40 Prozent der Kinder leben in von Armut bedrohten Familien, betonte sie und verlangte, dass Grundschüler kostenlos Mittagessen erhalten. Sie versprach auch, darauf zu achten, dass öffentliche Aufträge an Firmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen, von denen die Beschäftigten auch anständig leben können.

Der Wahlsieg der 47-Jährigen zeuge von ihrer »kontinuierlichen und ausgezeichneten Arbeit in der zweitgrößten Stadt in Oder-Spree«, meint der Kreisparteichef Peer Jürgens. In Beeskow habe die Linkspartei-Kandidatin Karin Niederstraßer mit 24 Prozent ein »sehr gutes Ergebnis« erzielt. »Wir werden mit ihr in der Stichwahl um ein rotes Beeskow kämpfen.« Frank Steffen (SPD) kam hier auf 38 Prozent. Indessen ist sicher, dass Dagmar Püschel ab Februar Eisenhüttenstadt »mit links« regiert – so lautete ein Slogan in ihrer Kampagne.

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