Schwierige Städtepartnerschaft

Das bayerische Dachau will mit der israelischen Stadt Rosch Ha'Ain kooperieren – von dort kommt ein geteiltes Echo

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Die Stadt Dachau, wo die Nazis einst ihr erstes Konzentrationslager

errichteten, will eine Städtepartnerschaft mit der israelischen Stadt Rosch Ha'Ain eingehen. In Israel gibt es Protest gegen den Plan.

Die Stadt Dachau bei München strebt eine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Kleinstadt nahe Tel Aviv an: Rosch Ha'Ain. Die Assoziation des Namens Dachau mit dem ersten von den Nazis errichteten Konzentrationslager, in dem zehntausende Menschen ermordet worden sind, darunter viele Juden, hat bei Holocaust-Überlebenden in Israel Empörung ausgelöst.

Wird das Projekt realisiert, wäre dies die erste Partnerschaft zwischen einem israelischen Ort und einer deutschen Stadt, zu der einst ein Konzentrationslager gehörte. Am Dienstag dieser Woche hatte der Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel im Kulturausschuss des Stadtrats angekündigt, dass als Vorstufe zu einer Städtepartnerschaft eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet werde. Darin sollte eine Zusammenarbeit in den »Bereichen Schule, Kultur und Wirtschaft« festgelegt werden.

Die Stadt Rosch Ha'Ain (zu deutsch: Kopf der Quelle) hat knapp 40 000 Einwohner. 1950 wurde sie auf dem Gelände eines britischen Militärlagers gebaut. Vor allem jemenitische Juden leben hier – Nachkommen von Familien, die 1949 über eine Luftbrücke nach Israel gebracht wurden.

Mosche Sinai, Bürgermeister von Rosch Ha'Ain, sagte: »Im ersten Augenblick, wenn man den Namen Dachau hört, erweckt das negative Assoziationen.« Dennoch wollte der hohe Offizier der israelischen Armee und frühere Angehörige des israelischen Außenministeriums den Wunsch des »israel-freundlichen« Bürgermeisters von Dachau nicht zurückweisen. Im heutigen Dachau, so schätzt Sinai ein, leben junge Deutsche »wie in Berlin, München, Hamburg oder Frankfurt«. Der Bürgermeister kennt die Stadt Dachau inzwischen aus eigener Anschauung und erzählt, dass er von Oberbürgermeister Bürgel durch die heutige Gedenkstätte auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers geführt wurde.

Nach Ansicht von Mosche Sinai könnte eine Partnerschaft beider Städte den Jugendaustausch fördern. »Wir sollten in die Zukunft schauen und das Gedenken an die Vergangenheit gemeinsam bewahren. Ich habe beschlossen, dass man eine solche ausgestreckte Hand nicht einfach ausschlagen kann«, erklärte er.

Noach Kliger, Vorsitzender der Vereinigung der Holocaust-Überlebenden und ein bekannter Journalist, bezichtigt den israelischen Bürgermeister in einem Kommentar in der Zeitung »Jedijot Achronot« eines »unintelligenten« Schrittes. Ihm mangele es an jeglicher Sensibilität im Umgang mit dem Holocaust, meinte Kliger. Ähnlich äußerte sich auch Mosche Sanbar, 84, der frühere Vorsitzende der Bank Leumi und selbst ein Überlebender des KZ Dachau. »Ich bin erschüttert. Was wissen die in Rosch Ha'Ain schon, was Dachau war.« In das KZ Dachau, nur 20 Kilometer von München entfernt, seien 200 000 Häftlinge aus 30 Ländern zwischen 1933 und 1945 gebracht worden, ein Drittel davon Juden. Dachau habe als Modell für hunderte Konzentrationslager gedient, die später von den Nazis errichtet worden sind. Es war auch lange Jahre eine Ausbildungsstätte für SS-Leute.

Die beiden Bürgermeister sollen bereits im Juli über eine Partnerschaft gesprochen haben. Vom 29. Oktober bis 1. November will der Dachauer Stadtchef Bürgel nach Rosch Ha'Ain reisen und mit seinem dortigen Kollegen Mosche Sinai erste konkrete Projekte in den Bereichen Schule, Kultur und Wirtschaft besprechen.

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