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Das transparente Lügen

  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Das transparente Lügen

Ein Schlüsselwort in diesen wunderbaren Zeiten heißt Transparenz. Es wird verdächtig oft ins verbale Gefecht geschickt, allerdings scheint jeder etwas anderes darunter zu verstehen. Manche meinen gar, wenn sie heute das Gegenteil dessen verkünden, was sie gestern verkündet haben, handelt es sich dennoch um einen Beitrag zur Transparenz. Nach den Koalitionsrunden letzte Woche überraschte diesbezüglich der FDP-Unterhändler Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms Lich, kurz Hermann Otto Solms, mit einer Leistung von Adel. Vor den Medien erklärte er, das noch für dieses Jahr beabsichtigte Verstecken von zig Milliarden Schulden in einem Schattenhaushalt des Staates trüge nicht zu weniger, sondern zu mehr Transparenz bei. Nebenhaushalte als Beitrag zur Transparenz? Sehr kühn. Als am Tag danach diese Form der Bilanzfälschung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wenigstens für 2009 abgeklingelt werden musste, feierte derselbe Solms das Zurückrudern mit den öffentlichen Worten: »Es muss ja alles so transparent wie möglich sein.« Transparent wird an diesem Beispiel einzig, dass nicht wenige in der Berufspolitik jedes hehre demokratische Prinzip, auch die Transparenz, nur benutzen, um kurzatmige Maßnahmen kapriolenhaft zu rechtfertigen.

Dabei sollte Durchschaubarkeit in unserer so genannten offenen Gesellschaft selbstverständlich sein und nicht immer erst im Bedrängnisfall herausgestrichen werden. Wahr ist, dass Transparenz inzwischen zu den am meisten genutzten Blendverfahren im Staate gehört. Wenn Transparenz herbeizitiert wird, geht es, siehe Solms, oft nur um Lüge und Verschleierung. Oder um Ablenkungsmanöver und Scheingefechte. Dazu gibt es dann noch die mildeste Form des Missbrauchs der Transparenz: die Marketingmaßnahmen. Der jüngst gesendete ZDF-Film über Helmut Kohl wurde beinahe in jeder Talkshow und Illustrierten so schleimig en Detail beworben, dass es einem Propagandafeldzug gleichkam. Trotzdem schlechte Quote übrigens.

Vorige Woche würdigten die Medien im Wirtschaftsteil die guten Quartalszahlen der Deutschen Bank. Man las und hörte von gescheiten Zukäufen, erhöhter Risikoabsicherung und nur noch wenigen faulen Papieren. Unerwähnt blieb, dass die Deutsche Bank vor einem Jahr mit vielen Milliarden Euro Großgläubiger der inzwischen verstaatlichten deutschen Pleitebank Hypo Real Estate war. Und nirgends dementiert wurde die Nachricht über ein letztes nächtliches Telefongespräch zwischen Angela Merkel und dem Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Erst danach kam es zu der Entscheidung, Milliarden Steuermittel, richtiges Geld und Garantien, in das bankrotte Bankhaus zu stecken. Zudem wird es niemand einen Zufall nennen können, dass an der Spitze des ausgewechselten Managements der Hypo Real Estate mit Prof. Dr. Axel Wieandt ein einstiger sehr enger Mitarbeiter von Josef Ackermann steht. Auch unter der neuen Leitung braucht diese Bank ständig neues Geld, ebenfalls höchstens noch im Kleingedruckten angezeigt. Transparent wäre es gewesen, diese Zusammenhänge anhand der aktuell guten Ergebnisse der Deutschen Bank nicht zu unterdrücken. Kaum eines der gierig agierenden Geldinstitute durfte in kritischer Zeit Eigeninteressen so gut zur Geltung bringen wie die Deutsche Bank.

Auf dem Felde der Wirtschaft gibt es neben den unbeleuchteten Stellen zudem die meisten Scheingefechte unter der Flagge der Transparenz. Beifall überall, wenn Managergehälter und Bonuszahlungen eingeschränkt werden. Aber sie sind nicht die Ursache der Wirtschafts- und Finanzkrise. Gegen die Trennung der Geld- von der Realwirtschaft und die damit verbundene Tatsache, dass die Banken heute nicht mal mehr einen Bruchteil des Geldes besitzen müssen, das sie an andere vergeben, ist politisch noch fast nichts unternommen worden.

Zu den vielen notwendigen Korrekturen müsste auch die Restitution der Transparenz auf ihre ursprüngliche Bedeutung gehören.

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