Aufmucken gegen Gedenk-Rituale

Bündnis erinnert an linke DDR-Opposition

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Im Jahr des Mauerfall-Jubiläums gibt es auch Stimmen gegen ritualisiertes Gedenken – im »Bündnis gegen Wendefeierlichkeiten« haben sich linke und antinationale Gruppen zusammengeschlossen.

Das Bündnis setzt sich kritisch mit den offiziellen Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestags des Mauerfalls auseinander. Das war deshalb auch ein Thema des von dem Bündnis organisierten Workshoptags in der Berliner Humboldt-Universität am Sonnabend. Teilnehmer setzten sich unter anderem mit dem Gedenkdiskurs der Wendeereignisse des Herbstes 1989 auseinander. Mit dem Begriff der friedlichen Revolution schaffe sich Deutschland nachträglich einen Gründungsmythos, der vor 1989 gefehlt habe, so die gemeinsame These. Die antinationale Künstlerinitiative Rosa Perutz untersuchte an Hand von zwei Ausstellungen den Umgang der Kunst mit der deutschen Geschichte. Während in der Ausstellung »60 Jahre, 60 Werke« die DDR-Kunst konsequent ausgeblendet wurde, interpretiere die Ausstellung »Kunst und Kalter Krieg – Deutsche Positionen 1945-89« künstlerische Arbeiten aus Ost und West als Ausdruck fortgesetzter Brüderlichkeit, die nur vom bösen Kalten Krieg überschattet wurde«, so ein Vertreter von Rosa Perutz.

In einer Abschlussdiskussion kamen mit Renate Hürtgen und Bernd Gehrke zwei führende Aktivisten der linken DDR-Opposition zu Wort, die in der heutigen Debatte weitgehend ausgeblendet wird. Schließlich kämpften sie im Herbst 1989 für eine demokratisch-sozialistische DDR und nicht für einen Anschluss an die BRD. Damit hatten sie noch im Dezember 1989 die große Mehrheit der DDR-Bevölkerung auf ihrer Seite gehabt, zitierte Gehrke eine unabhängige Umfrage. Das habe sich auch auf der Straße gezeigt. So hatte die Vereinigte Linke, die Gehrke mit gegründet hat, gegen den Besuch von Helmut Kohl in Dresden eine Demonstration in Berlin mit über 40 000 Menschen organisiert, die heute völlig ignoriert wird.

Nach der Einschätzung von Gehrke sei erst im Januar 1990 die Stimmung gekippt. Diese »Wende in der Wende« sei auch von der CDU mit der Herstellung von Tausenden Plakaten mit dem Slogan »Wir sind ein Volk« gefördert worden. Die Mitbegründerin der Initiative »Für eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung« Renate Hürtgen berichtete über die Zunahme betrieblicher Kämpfe zwischen November 1989 und März 1990. Es habe ein sozialer Aufbruch stattgefunden, und oft hätten hochqualifizierte Frauen an der Spitze der Bewegung gestanden. Aktivisten aus der Gewerkschaftsinitiative haben sich noch bis in die 90er Jahre an den Kämpfen gegen die Abwicklung von DDR-Betrieben beteiligt. Das Bündnis gegen die Wendefeierlichkeiten plant für den kommenden Samstag eine antinationale Demonstration in Berlin.

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