Verliebt, verlobt, geimpft

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

In meiner Kindheit zupften wir die Blättchen einer Robinienrispe nach einem Zählreim ab: Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden. Eigentlich war alles blöd, was dabei herauskam, bis auf verliebt. Fiel dieser Begriff auf das letzte Blättchen, überlegte ich aufgeregt, in wen ich mich wohl unbemerkt verliebt haben konnte oder wer für die Herstellung eines solchen erstrebenswerten Zustandes in Frage käme.

Als Entscheidungshilfe in der Frage »Lasse ich mich gegen Schweinegrippe impfen oder nicht« könnte ebenso gut eine Robinienrispe dienen. Grippegeimpft, schweinegrippegeimpft, gar nicht geimpft könnte das Verslein heißen. Oder kennen Sie überzeugende Argumente, die an die Stelle des Abzählreims treten könnten? 65 Prozent aller Deutschen wollen sich aus Mangel an Informationen nicht impfen lassen. Das, obgleich das Thema alle Medien dominiert, mancherorts der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, die Zahl der Toten auch hierzulande steigt und Experten, die einst vom Impfen abrieten, dies jetzt plötzlich befürworten.

Die Verwirrung ist komplett und einmal mehr bewiesen, dass viele Informationen noch lange keine Transparenz herstellen, die ein abgewogenes Urteil ermöglicht. Dazu trugen vor allem jene bei, die ein gigantisches Pharmageschäft witterten und die Gefahren durch die Neue Grippe schon vor Monaten völlig unglaubwürdig aufbauschten. Und nun kann man nicht einmal mehr die Robinien befragen. Alle Blätter sind ab.

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