nd-aktuell.de / 05.11.2009 / Politik / Seite 13

Ohne Papiere, nicht ohne Rechte

Studie von Diakonie und ver.di untersucht die Lage von »illegalen« Migranten in Hamburg

Reinhard Schwarz, Hamburg
Sie sind nicht rechtlos. Menschen ohne Papiere haben ein Recht auf Bildung und Krankenversorgung. In einer Untersuchung über die Lage von »illegalen« Migranten in Hamburg fordern die Herausgeber deutliche Verbesserungen für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus.

»Illegale«: Sie arbeiten auf dem Bau, in der Gastronomie, als Hausangestellte und im Reinigungsgewerbe. Für ihre schwere Arbeit erhalten sie in der Regel einen niedrigen Lohn, leben in feuchten, beengten oder überteuerten Wohnungen. Oder sie sind sogar obdachlos. Sie sind Menschen ohne Papiere, ständig in der Angst vor Entdeckung und Abschiebung.

Aber auch Menschen ohne Papiere sind nicht rechtlos. Das ist Kernpunkt einer Studie, die gemeinsam vom Diakonischen Werk Hamburg, der Nordelbischen Landeskirche sowie von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Auftrag gegeben wurde. Danach haben Migranten ohne legalen Aufenthaltstatus das Recht auf Bildung, sei es für sich oder für ihre Kinder, und auf jeden Fall das Recht auf Gesundheitsbehandlung. Weiterhin gilt für sie grundsätzlich auch das deutsche Arbeitsrecht, dass ihnen eine angemessene Entlohnung, einen Mindesturlaub, eine Unfallversicherung sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall garantiert.

Die Zahl der illegalen Migranten habe sich durch die Aufnahme von Ländern wie Polen, Rumänien und Bulgarien in die EU deutlich verringert. Gab es in Hamburg 2003 noch zwischen 19 000 bis 65 000 Menschen ohne Papiere, so geht die Studie aktuell von 6 000 bis 22 000 Menschen aus. Mehmet Yildiz, migrationspolitischer Sprecher der LINKEN in der Hamburger Bürgerschaft, hält diese Schätzung für zu niedrig, er spricht von rund 50 000 »Illegalen« in der Hansestadt.

Problem Schule und Kita

Um ihren Kindern eine Zukunft zu bieten, melden viele »Illegale« diese zum Schulbesuch an. Sie fürchten dabei allerdings, entdeckt und abgeschoben zu werden. Diese Angst sei mittlerweile nicht mehr nötig, versichert Antje Möller von der GAL Hamburg: »Die Schulsenatorin Christa Goetsch hat den Schulen mitgeteilt, dass Meldebescheinigungen nicht mehr vorgelegt werden müssen. Damit ist die Haupthürde für das Recht auf Bildung für Menschen ohne Papiere beseitigt.«

Besonders problematisch ist der Zugang zu Kindertagesstätten für Töchter und Söhne von »illegalen« Einwanderern, weil sich dieser Zugang über einen Kita-Gutschein regelt. Hierzu müssen die Betroffenen ihr Einkommen nachweisen und eine Meldebestätigung vorlegen. »Papierlosen Kindern muss der Zugang zu Kita und Hort ermöglicht werden«, heißt es daher in der Untersuchung.

Das wohl größte Problem für »Illegale« stellt die Gesundheitsversorgung dar, die an die Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung geknüpft ist. Ein anonymisierter Krankenschein soll Schutz vor Entdeckung bieten und zugleich das Recht auf gesundheitliche Versorgung gewähren. In dieser Frage sei man »über unterschiedliche Modelle in der Diskussion mit der Gesundheits- und Sozialbehörde«, erklärte GAL-Frau Antje Möller. »Die Ärztekammer unterstützt die Forderung nach einem anonymisierten Krankenschein. Stiftungen oder Fondslösungen werden von uns aber genauso diskutiert.«

Vorbild Frankreich

Die Studie von ver.di und Diakonie werde von der LINKEN begrüßt, erklärte Mehmet Yildiz: »Es muss schnell gehandelt werden. Wir fordern den Senat auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Lage der Menschen ohne Papiere zu verbessern.« Zudem forderte Yildiz den schwarz-grünen Senat auf, im Bundesrat eine Initiative zu starten und nach dem Vorbild Italiens, Frankreichs und Spaniens den Status von Menschen ohne Papiere zu legalisieren. Generell aber müsse »die EU ihre Abschottungspolitik beenden«.

Auch die GAL diskutiere das Thema schon seit Jahren, erklärte indes Antje Möller. Auf Ebene der Europäischen Union habe man das Problem gleichfalls erkannt, einvernehmliche Lösungen seien bisher aber nicht in Sicht. »Einzelne Länder der EU haben nationale Legalisierungsregelungen umgesetzt«, sagt Möller.