nd-aktuell.de / 05.11.2009 / Politik / Seite 4

Minenräumung per Konferenz?

Marion Gnanko will die Vernachlässigung der Opferhilfe beenden helfen / Marion Gnanko ist Projektleiterin für den Solidaritätsdienst-International (SODI) in Vietnam und Laos

Fragwürdig: Minenräumung per Konferenz?

ND: Welches Gewicht hat die derzeitige Konferenz des Aktionsbündnisses Landmine.de in Berlin – ein Mosaikstein im Bild der internationalen Empörung, wichtig, aber folgenlos?
Gnanko: Sie ist Teil der Vorbereitung auf die Konferenz in Cartagena Ende November in Kolumbien, wo zum Verbot der Personenminen nun auch das Verbot von Streumunition vereinbart werden soll. Das Thema Opferhilfe, dem wir uns diesmal vor allem widmen, ist einer der am meisten vernachlässigten Bereiche im Umfeld der humanitären Minenräumung. Also hoffentlich nicht folgenlos.

Warum vernachlässigt?
Vor allem, weil nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen. Die braucht man, so lange Minen zu folgenschweren Unfällen führen – die Opfer brauchen Versorgung, medizinische, aber auch psychologische Betreuung.

Ist denn die Forderung nach einer Erhöhung der Mittel zur Opferhilfe der richtige Weg, Landminen zu bekämpfen? Ersetzt sie die Ursachenbekämpfung?
Die Minenopfer sind Ergebnis eines vorhandenen Problems. Sie müssen unterstützt werden, um ein würdevolles Leben zu führen.

Und dass die Mittel aus dem Entwicklungshilfefonds kommen – ist das nicht paradox?
Das hat mit der Aufgabenteilung zwischen Auswärtigem Amt und Entwicklungshilfeministerium zu tun. Während das Außenministerium vor allem Projekte zur Minenräumung fördert, oder auch Projekte zur Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren von Minen, ist die Opferhilfe meist Teil von Entwicklungsprojekten. Das hat auch seine Logik, es geht um die Hilfe für besonders benachteiligte Gruppen, und hierzu gehören gerade Behinderte. Für die Betroffenen ist die Herkunft der Gelder letztlich gleich, Hauptsache, es wird geholfen.

Die Zahlen von Opfern gehen den jüngsten Statistiken zufolge anscheinend zurück.
Die Dunkelziffern sind das eine Problem an solchen Statistiken. Dass mit der steigenden Zahl von Überlebenden zugleich die Zahl der Bedürftigen steigt, ist das andere. Für mich ist die Tatsache entscheidend, dass es immer neue Opfer gibt. So lange das so ist, spreche ich nicht gern über statistische Verbesserungen der Lage.

Vor zehn Jahren trat das Verbot von Anti-Personen-Minen mit dem Ottawa-Vertrag in Kraft – ist die Lage seither besser geworden?
Viele Länder sind Mitglied der Konvention geworden und haben sich damit verpflichtet, betroffenen Ländern Unterstützung zu leisten. Die Kampfmittelbeseitigung und der Umgang mit den Folgen von Unfällen hat sich professionalisiert. Das sind schon Erfolge.

Menschlicher Erfindungsgeist hat Minen hervorgebracht, die angeblich intelligent sind. Trotzdem werden Zivilisten, vor allem Kinder, am häufigsten zu Opfern.
Kreativität und finanzielle Mittel in diesem Bereich sind nahezu unbegrenzt, anders als die Mittel zur Bekämpfung der Folgen. Die Streumunition, die zuerst als Alternative zu Antipersonenminen galt, ist so ein Beispiel. Trotz Unterschieden in der Definition ist die Wirkung die gleiche.

Zivilisten, Kinder – die Niedertracht ist offenkundig, was haben Konferenzen für Mittel gegen die unbegrenzte Macht des Perfiden?
Das mächtige Mittel des zivilen Widerstands. Wir treten der Politik auf die Füße, das Thema so wichtig zu nehmen, wie es das verdient.

Fragen: Uwe Kalbe