nd-aktuell.de / 06.11.2009 / Politik / Seite 8

Ruf nach radikalen Eingriffen

DOKUMENTIERT: Aus der Erklärung der Konferenz »Jenseits der Krise«

Die Unterzeichner dieser Erklärung (...) haben sich im historischen Umbruch dieser beispiellosen Krise in Brüssel versammelt. Die nationalen Regierungen sind bemüht, den Kapitalismus zu retten und die Restauration des Neoliberalismus durchzusetzen, dennoch ist es für radikale Eingriffe nicht zu spät. Wir wollen neue Paradigmen für soziale Beziehungen sowie für die Beziehung zur Natur erwecken, wir schlagen Elemente für Alternativsysteme auf allen Ebenen vor, die auf einer neuen globalen Solidarität fußen.

Der globale Kapitalismus hat die Welt in eine ernste Krise gestürzt. Sie geht mit der unaufhaltsamen Plünderung der Natur- und Energieressourcen des Planeten – vor allem im Süden –, dem bevorstehenden Klimazusammenbruch sowie mit Lebensmittelkrisen samt ihrer verheerenden Auswirkungen wie Hunger, Armut und Migration einher. Darüber hinaus sieht sich die Welt mit einer wachsenden sozialen Ungleichheit und einer zunehmendem Klassenpolarisierung konfrontiert, zugleich mit der wachsenden Macht der transnationalen Konzerne, mit Kriegen und mit der Tendenz zu autoritären Lösungen. Alle diese verschiedenen Auswüchse der Krise sind die Folgen einer vom Kapitalismus, vom Patriarchat, vom Imperialismus, vom (Neo-)Kolonia- lismus, von der Militarisierung und von der Ausbeutung von Mensch und Natur geformten Logik. Diese Logik muss durch eine neue ersetzt werden.

Die Zeit für radikale Eingriffe ist gekommen. Dies bedeutet, eine Vision zu entwerfen, in der konkrete Projekte zur Veränderung mit einer klaren Perspektive der Transformation hin zum Aufbau von Solidargesellschaften verbunden werden. Die wichtigsten Ziele sind: Die Rettung der Erde, das Ende von Kriegen, das Überwinden von Hunger und Armut und das Ziel der sozialen Gleichheit und der vollen Emanzipation. (...)

Konzentrieren wir uns auf die Bedürfnisse und Hoffnungen der Menschen. Als erste Schritte fordern wir: Die sofortige und radikale Umverteilung des Vermögens von privaten Eigentümern an die Völker des Südens, an die niedrigeren Klassen weltweit sowie an den öffentlichen Bereich – 75 Prozent weniger Vermögen in den Händen der Reichen. Wir zahlen nicht für die Krise und die von ihr verursachten neuen Staatsschulden. Dieser Forderung kann zunächst mittels einer wirksamen Besteuerung von Vermögen, Unternehmensgewinnen, hohen persönlichen Einkommen sowie von Erbschaften und letztlich auch von Finanz- und Währungsgeschäften entsprochen werden.

Die Schuld, die durch private Enteignung, koloniale Plünderung und Ausbeutung entstanden ist, muss zurückgezahlt werden.

Wir haben eine Analyse mitentwickelt, haben die Krise vorhergesagt und haben zur Entzauberung des Neoliberalismus beigetragen. Die vorherrschenden Machtstrukturen konnten wir aber noch nicht überwinden. Der neoliberale Kapitalismus verliert zwar inzwischen an Glaubwürdigkeit, bleibt aber dominant.

Unser gemeinsames Ziel ist, diese Dominanz zu brechen. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Vertiefung der Krise und weitere Schäden zuvorzukommen. Diese wären u.a.:

  • Die Beteiligung am Weltklimagipfel in Kopenhagen bzw. die Organisation dezentraler Aktionen für Klimagerechtigkeit; die Ablehnung solcher Marktmechanismen wie den Kohlenstoffhandel; die unmittelbare Transformation der Energiekette; die Ablehnung der Atomkraft.
  • Die Ablehnung weiterer Liberalisierung; die Verhinderung der sogenannten wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen und Freihandelsabkommen mit dem Süden.
  • Das Verhindern der Reduzierung von Staatsausgaben, um die Staatsschulden zu bedienen, die sich aus der Krise ergeben; ein Verbot des Derivatehandels; das Schließen der Steueroasen; ein Verbot der Spekulation mit Nahrungsmitteln und Energie; ein Zahlungsaufschub für die Schulden des Südens.
  • Die Wiedereroberung des Gemeingutes, u.a. der Fabriken und des Bodens.
  • Ein Ende der Kriege und die weltweite Abrüstung.