Mit Beckett an die Geschichte

Eine Uraufführung von Kurt Drawert in Darmstadt und eine radikal neue Lesart von »Godot« in Stendal

Aart Veder (Pit), Heinz Kloss (Harry), Klaus Ziemann (Lehmann II), Sonja Mustoff (Lehmann I)
Aart Veder (Pit), Heinz Kloss (Harry), Klaus Ziemann (Lehmann II), Sonja Mustoff (Lehmann I)

Was hatte man Samuel Beckett über Jahrzehnte nicht alles vorgeworfen? Pessimismus abseits der Realgeschichte und dergleichen galten als Standardurteile. Sein Klassiker »Warten auf Godot«, geschrieben 1948 – in Paris fünf Jahre später uraufgeführt, sei das große metaphysische Spiel von der Vergeblichkeit des Menschen, der auf seinen Erlöser wartet. Bis im Jahr 2002 der französische Theaterhistoriker Valentin Temkine in einem kurzen Aufsatz auf eine Kette von Indizien hinwies, die das Stück in einem ganz neuen Licht sehen lässt. Didi und Gogo, von der bisherigen Rezeption einschließlich Becketts eigener Inszenierung als Clowns und philosophische Landstreicher gedeutet, seien tatsächlich zwei Pariser Juden auf der Flucht, die 1943 auf ihren Schleuser warten. Vom Eiffelturm, so heißt es im Stück, könnten sie nicht mehr in den Tod springen, weil man sie nicht mehr herauflassen würde. Nicht weil sie Penner seien, so Temkine, sondern we...


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