• Kultur
  • Bücher zum Verschenken 2009

Der Mörder von Landsberg

Auf den Spuren von Ekkehard II.

  • Reinhold Andert
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine witzige Bemerkung sorgte im Frühjahr im Brandenburger Landtag für Aufregung: Zur Eröffnung der Spargelsaison sagte ein SPD-Mann: »Das Beste von Kartoffeln, Spargel und Adelsfamilien ruht unter der Erde«. Die Adels- und Bankenpartei CDU protestierte sofort. Mit Recht. Denn das, was da auch unter Brandenburger Erde an hochwohlgeborenen Knochen vor sich hin fault, war nicht das Beste. Jedenfalls nicht besser als das, was oben noch herumläuft. Im Gegenteil, früher waren sie noch raffgieriger als heute. Aber dieser Adel ist heute wieder unsere Geschichte. Ihre Daten lehrt man in der Schule, die Orts- und Landeschroniken sind Aufzählungen ihrer skrupellosen Geschäfte und Gewalttaten. Trotzdem: Sie hatten das Geld, und ohne sie wäre unser Leben ärmer. Wir wüssten wenig von der Fantasie, dem Fleiß und der Schöpferkraft unserer Vorfahren. Ohne dieses Geld, das sie dem Volke abgenommen hatten, gäbe es in Gernrode keine Kirche, im Naumburger Dom keine Stifterfiguren, und der Dresdner Zwinger wäre leer. In keiner Galerie »Alter Meister« könnten wir heute ihre durch jahrhundertlange Inzucht verblödeten Gesichter bewundern.

Der Adel war es auch, dem wir die Grundlagen unserer »abendländischen Kultur« verdanken, das Christentum. Was er darunter verstand, zeigt sich am besten in einigen Bauwerken, den sogenannten Doppelkapellen. Das sind zweistöckige Sakralräume, in denen im Erdgeschoss das Gesinde mit dem Priester die Messe feierte. Im Obergeschoss saß die Herrschaft, die durch ein Loch im Fußboden am Gottesdienst teilnahm. So war sie geschützt vor dem Gestank ihrer Dienerschaft. Drei solcher Kapellen gibt es im Osten: in der Burg Lohra bei Sondershausen, in der Freiburger Neuenburg und in Landsberg bei Halle. Die Landsberger Doppelkapelle ist der Rest einer riesigen Burganlage, die 1514 im Auftrag der sächsischen Herzöge zerstört wurde. Einst war diese Burg Sitz des Markgrafen der Ostmark, die große Teile des heutigen Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thüringens umfasste. Landsberg war also einige Zeit die Hauptstadt des Ostens. Ihren Ursprung verdankt die Anlage Ekkehard II., dem Markgrafen von Landsberg. Wer war dieser Mann neben der schönen Uta im Naumburger Dom?

Sein Vater war der bekanntere Ekkehard I., Gründer der Eckardtsburg und enger Vertrauter von Otto III. Als der im Jahre 1002 kinderlos starb, mühte sich Ekkehard um die deutsche Königskrone und wurde von seinen Rivalen ermordet. Auftraggeber des Mordes war der spätere König Heinrich II, im Jahre 1146 heilig gesprochen. Der Sohn des Ermordeten, Ekkehard II., ließ den Zeitzer Bischofsitz nach Naumburg verlegen und veranlasste den Bau des dortigen Domes. Er bekam aber nur einen Teil seines väterlichen Erbes. Den anderen Teil erhielt sein Schwager Dietrich I., ein Wettiner und Urahn August des Starken. Also ließ Ekkehard II. im Jahre 1034 seinen Schwager Dietrich II. umbringen und besetzte die gesamte Ostmark. Als etwa 200 Jahre später der Naumburger Meister den Auftrag bekam, die Stifterfiguren im Naumburger Dom zu schaffen, war diese Mordgeschichte noch bekannt. Schaut man sich heute diese Figuren an und kennt die historischen Hintergründe, erhöht sich der Genuss. Auch ahnt man, warum Uta mit dem Zipfel ihres Mantels die Hälfte ihres Gesichts bedeckt.

Man kann dies alles nachlesen in dem bemerkenswerten Buch von Katja Münchow und Gottfried Sehmsdorf »Ekkehard II. Markgraf von Landsberg«. Darin haben sich beide Autoren mit bewundernswerter Akribie auf die komplizierten genealogischen Verzwickungen dieser und anderer adliger Figuren eingelassen und kommen zu teilweise überraschenden Erkenntnissen.

Gottfried Sehmsdorf/Katja Münchow: Ekkehard II. Markgraf von Landsberg. Dingsda, Leipzig. 107 S., geb., 12,90 €.

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