nd-aktuell.de / 28.11.2009 / Kultur / Seite 49

»Aber keinen Intimkontakt!«

Wie eine »Löwin« angeworben wurde

Klaus Haupt

Dies ist, so wird als Untertitel versichert, »Ein anderer Spionageroman«. Und in der Tat. Hier gibt es keine knallharten Szenen und nicht einen einzigen Toten, wie beim berühmten »Spion, der aus der Kälte kam« und der des Autors erster Weltbestseller geworden ist. In diesem Erstlingsroman eines bislang unbekannten Autors wird unter anderem erzählt, wie man einen Spion – den man zu seiner Zeit Kundschafter nannte – auf seinen Einsatz vorbereitet, wie eine Legende gestrickt und schließlich aus dem Protagonisten Frieder Gänsekiel mit dem Decknamen Fidelius ein gewisser Friedrich Bechler wird. Er erhält eine geistvolle und selbstbewusste Partnerin, zum Verlieben schön und reist mit ihr nach Australien. Wo er nichts weiter zu tun hat, als ansässig zu werden, sich zu akklimatisieren – und glaubwürdig Image und Background eines Mannes aus Australien anzunehmen. Um sich dann eines Tages mit sicheren Papieren, gewissermaßen als halber »Australier«, in Deutschland-West unauffällig niederzulassen. Dort erst beginnt der eigentliche Auftrag.

Er soll in Bonn die Sekretärin eines Ministeriums für die Mitarbeit anwerben. »Aber keinen Intimkontakt«, lautet die ausdrückliche Anweisung seines Chefs. Denn man will die keineswegs mehr blutjunge Dame, die von Männern und der Liebe enttäuscht ist, nicht als Agentin aus Liebe gewinnen, sondern für eine dauerhafte Position, als Überzeugungstäterin. Deckname: »Löwin«. Und mit einer Dame, die gerade einen merkwürdigen Brief ohne Absender erhalten hat, beginnt auch die Story.

Ein Unbekannter schreibt über ihren Mann, stellt verwirrende Fragen nach ihrem Verhältnis zu ihm, denn: Der Mann ist tot. Und ich nehme hier keine Spannung weg, wenn ich hinzufüge, was bereits auf Seite zehn des Buches fest steht: Er ist bei einem Autounglück in den Anden verschollen und für tot erklärt worden. Der mysteriöse Briefwechsel geht weiter und die Story nimmt ihren Lauf.

Wenn in diesem Buch vorab ausdrücklich versichert wird, dass »die Handlung und die handelnden Personen« frei erfunden und eventuell auftretende »Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen« rein zufällig sind, dann ist das keineswegs eine leere Floskel. Denn eines hat dieser Autor mit John le Carré gemeinsam: Wie dieser gehörte er einem Auslandsspionagedienst an. Von 1969 bis 1989 war Päßler Mitarbeiter des Auslandsnachrichtendienstes der DDR, so wird mitgeteilt. »Seine Aufgaben führten ihn für einige Jahre nach Südamerika. 1990 war er aktiv an der Auflösung seines Dienstes beteiligt.«

Hier schreibt also ein Insider. Das gibt diesem Buch ein besonderes Flair, das Liebhaber von Spionageliteratur sicher zu schätzen wissen. Schließlich kann man vermuten, das manches in diesem Buch den praktischen Erfahrungen und Erkenntnissen des Autors entnommen ist, wenn da zur Sprache kommen: die ersten Kontakte und Gespräche mit dem Führungsoffizier; taktische Varianten für die Annäherung an die »Zielperson«; ungeahnte Zwischenfälle, die Gänsekiel/Bechler urplötzlich zu veränderter Kontaktanbahnung zwingen; eine Liebe auf den ersten Blick; und schließlich die Anschaffung der begehrten Informationen auf unkonventionelle Weise: »Wir haben die ›Löwin‹ aus der Kategorie Kontaktperson in die Kategorie Quelle umgeschrieben.« Das ergibt einen spannenden Plot für eine Geschichte über einen Mann, der sich selbst zum Tod verurteilt hat.

Jochen Päßler: Vor seinem Tode und danach ... Aus dem Leben eines Frieder Gänsekiel. Verlag Wiljo Heinen, Berlin. 252 S., br., 14 €.