Plattenbau

  • Stefan Gebhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, den Begriff Cover-Projekt mögen Suse Jank und ihr musikalischer Partner Clemens Süssenbach überhaupt nicht. Und das zu Recht, denn in ihrem Programm »Ostpoesie« steckt zu viel Eigenes und Persönliches, als dass man es als bloßes Nachspielen von Songs bezeichnen könnte.

Was aber veranlasste die Ostberlinerin Suse Jank dazu, sich mit altem DDR-Liedgut zu beschäftigen, wo sie doch beim Fall der Mauer grade einmal fünf Jahre alt war? Schuld hieran hat wohl vor allem ihr Vater, der sie einst mit Liedern von Manfred Krug oder der Renft-Combo auf der Gitarre in den Schlaf sang. Ihr Erinnerungsvermögen wurde im Jahr 2003 wieder erweckt, als sie auf einem Flohmarkt eine alte Amiga-Schallplatte von Manfred Krug entdeckte, auf der mit »Wenn du schläfst« jener Song enthalten war, mit dem sie Jahre vorher in die Traumwelt befördert wurde. Die wieder aufkommenden Kindheitserinnerungen ließen die attraktive Berlinerin nicht mehr los, sie stellte eine CD voller Ostrock-Klassiker zusammen und diese dem Westberliner Jazz-Pianisten Clemens Süssenbach vor.

Süssenbach, der bis dato keinen einzigen Titel hiervon je gehört hatte, war von der inhaltlichen Aussagekraft und dem musikalischen Charme dieser Songs so beeindruckt, dass es keiner weiteren Überredungskünste bedurfte, sondern sich beide ans Werk machten, ein Programm voller »Ostpoesie« auf die Beine zu stellen. Von Anfang an legten sie großen Wert darauf, die alten Songs ins Heute zu transportieren und ihre eigenen Interpretationen der Lieder in den Mittelpunkt zu rücken. »Wir versuchen, uns einen eigenen Sound aufzubauen, die eigene Identität spielt eine ganz entscheidende Rolle«, so die 25-Jährige, die Musik in Weimar und Berlin studierte.

Seit einiger Zeit sind Jank und Süssenbach als Duo und immer öfter auch mit Band und Streichquartett live auf »Ostpoesie«-Tour. Die hier aufgeführten Interpretationen von Musik aus der ehemaligen DDR konnten beim Publikum vor allem deshalb punkten, weil sie äußerst detailverliebt und liebevoll arrangiert wurden, hier wird gejazzt, geswingt und der Beweis erbracht, dass Soulmusik mit deutschen Texten funktioniert und eine eigene Seele zu haben scheint. Suse Janks Stimme ist nicht nur kristallklar und unverwechselbar, sie berührt beim Hören ganz tief im Inneren.

Jetzt wurde es Zeit, die »Ostpoesie« auch auf einem Album herauszubringen. Suse Jank & Band veröffentlichen ihre Versionen von Sillys »Paradiesvögel«, Holger Bieges »Deine Liebe und mein Lied« und Lifts »Wasser und Wein« auf CD. Wer sich von den Stärken des Projekts live überzeugen möchte, sollte sich den 30.11. vormerken, hier findet im Berliner Club B-Flat das Record-Release-Konzert statt, mit Band und Streichern, versteht sich. Schnell wird man hier feststellen, dass sich diese Ausnahmemusiker auf der Bühne am wohlsten fühlen und mit musikalischem Können, Charme und einer gewissen lasziven Schnoddrigkeit ihr Publikum vom ersten bis zum letzten Ton in den Bann ziehen.

Suse Jank & Band: Ostpoesie (monocelli production)

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