Langeweile

Gesagt ist gesagt

  • Lesedauer: 2 Min.

Es geht immer darum: Was passiert, was ist überraschend, was ist unbekannt? Niemand bekommt den Auftrag, rauszugehen und etwas Langweiliges zu finden.
BOB WOODWARD
Süddeutsche Zeitung

*

Der Watergate-Enthüller, US-Amerikas berühmtester Journalist, spricht über das Ethos des Reporters, und natürlich hat er recht.

Aber Blaise Pascal sprach schon vor Jahrhunderten vom Urgrund allen Unglücks: dass Menschen sich verführen lassen, ihr Zimmer zu verlassen. Angesichts heutiger Inflation von Erlebnis- und Informationssüchtigen, von Geheimnislüftern und Gemächlichkeitsvernichtern beklagt Dichter Botho Strauß »den großen Mangel an Stubenhockern und diese Überzahl von weltfahrenden, an ihr vorbeifahrenden Leute«.

Aus Neugier, dieser journalistischen Basiseigenschaft, wurde doch auch Neu-Gier, die den Beruf ins Jagdfieber trieb, in jenes Erregungskoma der »eingebetteten« Kriegsreporter und talkenden Seelenparasiten, der weltzerstückelnden Schalter und Walter in Redaktionen und auf Moderatorenstühlen. Berichterstattern treibt’s permanent Schweiß auf die Seele: Bin ich dran, bin ich drauf, bin ich topp, bin ich cool? Allez hopp!

Ohne intensive Elastizitätsübung verdaut inzwischen kein Bewusstsein mehr das pausenlose Auf und Ab von Nachrichten, die in diesem Moment eine Höchstaufmerksamkeit abfordern, um im nächsten Moment von neuen Reizwerten in die Unaktualität gestoßen zu werden.

Jeden Morgen, wenn Schlagzeilen uns bedrängen, haben wir doch nur wieder die gestrige Gleichzeitigkeit von Amüsantem, Erschreckendem, Pikantem, Anekdotischem, Weltbestimmendem, Kuriosem, Tragischem, Klugem, Geprüftem und Ungeprüftem vor uns. Unser Mitgefühl, unser Zorn, unsere Nachdenklichkeit verfügen jedoch nur über eine bestimmte Kapazität. So bitter ist das, und so verzwickt inzwischen: Ermüden kann uns selbst das wichtigste Thema.

Nur wo die Welt langweilig ist, hat sie sich Eigenart herübergerettet aus den fließenden Geschäften. Das wär's doch!, Rechercheur der Ereignislosigkeit sein, Reporter der Weile werden, die nicht immer nur kurz sein muss, sondern unbeherrscht lang sein darf ... hds

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal