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Hotelier-Bonus sorgt für »gewisses Bauchgrimmen«

Bundesrechnungshof hält Steuersenkungspraxis für falsch

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Einmal im Jahr haben die Pfennigfuchser vom Bundesrechnungshof ihre große Stunde. Dann zeigen sie der Öffentlichkeit, wo die Politik fahrlässig mit Steuergeldern umgegangen ist. Und manchmal zieht die Politik anschließend sogar Konsequenzen.

Gestern war es wieder soweit. Die Fälle, die der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, der Bundespressekonferenz in Berlin vorlegte, hatten den charmanten Empörungsgehalt aller Beispiele staatlicher Steuerverschwendung. So etwa die 145 Millionen Euro, die die Bundeswehr für die gescheiterte Entwicklung einer Kampfdrohne in den Sand setzte, oder die Mittel, die das Umweltministerium unnötigerweise für die Glasüberdachung ihrer ministeriellen Innenhöfe einsetzt, welche dann im Sommer gekühlt und im Winter geheizt werden sollen.

Für weitere Senkungen derzeit kein Spielraum

Versäumnisse führen dazu, dass dem Bund Steuereinnahmen in mehrstelliger Millionenhöhe, entgehen. Etwa, wenn das Bundeszentralamt für Steuern die Angaben ausländischer Investmentfonds bisher nicht ausreichend prüft, wie Dieter Engels unbarmherzig offenlegte. Diese Angaben sind die Grundlage für die Besteuerung der deutschen Anleger dieser Fonds. Aber auch penible Beamtenpraxis kann unnötig Geld kosten. So erhebt die Zollverwaltung beim Internet-Bezug von Kaffee aus anderen EU-Staaten Besteuerungs- und Strafverfahren schon über Beträge von wenigen Cent. »Den Steuereinnahmen in diesem Verfahren von insgesamt 25 000 Euro standen Personalkosten in Höhe von 800 000 Euro gegenüber«, lautet das Fazit in dem Engels-Bericht, der traditionell die bescheidene Überschrift »Bemerkungen« trägt.

Der Aha-Effekt beim Bürger darf den Rechnungsprüfern sicher sein, die da über den sorgsamen Umgang mit seinen Steuergroschen wachen. Zugleich ist es ein vor allem haushalterischer Blick, den die Engels-Behörde auf Einnahmen und Ausgaben des Staates wirft. Die von der Föderalismus-Kommission beschlossene Schuldenbremse etwa, die einigen Bundesländern schon bald die Luft abschnüren wird, wenn es um ihre sozialen Gestaltungsaufgaben geht, gilt dem Bundesrechnungshof als ehernes Bollwerk gegen die Verschwendung. Zugleich kommt die Behörde zu dem vorher bereits von den sogenannten Wirtschaftsweisen vertretenen Schluss, dass Steuersenkungen in der jetzigen Situation kein Mittel zur Haushaltssanierung seien. Engels: »Für weitere Steuersenkungen in größerem Umfang gibt es derzeit finanzwirtschaftlich keinen Spielraum.« Auf Nachfrage bestätigte Behördenchef Engels seine Kritik. Den im Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorgesehenen Mehrwertsteuerbonus für Hoteliers bewertete er mit einer klinischen Diagnose – der gesenkte Steuersatz verursache ihm ein »gewisses Bauchgrimmen«. Allein die Steuerpakete der vergangenen zwölf Monate führen nach seiner Voraussage zu Einnahmeausfällen von 125 Milliarden Euro bis 2013.

Deutlicher kann die Kritik einer Bundesbehörde an der aktuellen Regierungspolitik kaum ausfallen. Und in diesem Punkt zumindest ist ihr der Zuspruch auch der Opposition im Bundestag sicher. Die Regierungskoalition dürfe die Kritik der obersten Finanzkontrolle des Bundes »nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen«, merkte die Haushaltsexpertin der LINKEN im Bundestag, Gesine Lötzsch in einer Erklärung an.

Einsparung wenigstens beim Kaffee

Wenig Entgegenkommen erwartet Engels wohl beim Thema Haushaltssanierung. Diese sei mit haushälterischen Mitteln allein nicht zu bewältigen, räumte er selbst ein. Auch wenn seine Behörde in einem zweiten Gutachten zur »Entlastung und Modernisierung des Bundeshaushalts« Ersparnisse von 21 Milliarden Euro binnen fünf Jahren in Aussicht stellt und weitere für möglich hält. Immerhin ist den Finanzprüfern eine Schlussfolgerung der Regierung bereits zugesichert: Das Finanzministerium plant das aufwendige Steuerverfahren der Kaffee-Einfuhr mit einer gesetzlichen Änderung zu vereinfachen.

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