nd-aktuell.de / 12.12.2009 / Kultur / Seite 11

Geschenke

Gesagt ist gesagt ...

Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten und keiner schenkt was. Undenkbar. Außerdem soll ein Geschenk Menschen verbinden. Es ist die Materialisierung unserer Verbundenheit. Wenn wir Falsches schenken, zeigen wir, dass wir keine Bindung zueinander haben.
GERHARD SCHMIED, Frankfurter Allg. Sonntagszeitung

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Worte eines Soziologen von der Universität Mainz, der sich lange mit den »Tücken des Schenkens« befattse.

Immer warten und hoffen wir auf jemanden, der weiß, was wir uns wünschen. Schwierige Übung für alle Beteiligten. Die sich stets wiederholende gemeinsame Enttäuschung, wieder mit etwas Falschem beschenkt worden zu sein, macht aus Millionen Einzelnen tatsächlich – ein Volk. Auf diese fortwährende Erfahrung, dass das Gewünschte nicht eintritt, reagieren wir zum Glück meist mit der Milde des biblischen Gleichmuts, der sich auskennt in den begrenzten Möglichkeiten des Menschen.

Das Schenken ist sowieso eine seltsame Mechanik geworden. In Zeiten, da das Grund-Gesetz lautet, es würde einem nichts mehr geschenkt. Den Satz trägt man vor sich her, ein Zertifikat: Ich hab's begriffen, ich bin geeignet für den Lauf der Welt. Geeicht auf den Nutzenfaktor. Das ist ganz die Theologie der neueren Praxis. Von da ist es nur ein Schritt bis zu jenem anderen Satz, der den Gedanken des Schenkens endgültig abtötet: Dieses Jahr machen wir uns wirklich nur vernünftige Geschenke!

Aber wir wollen ja nicht wirklich etwas Vernünftiges geschenkt bekommen. Jeder Einzelne will im Gegenteil das absolut Unvernünftige, das schöne Unvorstellbare, das freilich Unerfüllbare: Man möchte durch Beschenktwerden nicht an-, sondern ausgesprochen sein. Man möchte in einem Geschenk gewissermaßen – erraten werden. Für solche Gaben bedarf es einer Gabe. Man könnte sie gelebte Nähe nennen; Geber und Beschenkter müssen gleichenteils daran beteiligt sein. Das ist das wahre Fest. Im Unterschied zum Verschlissenwerden in den Laufrädern des Einzelhandels; die Kaufkraft als gnadenlose Zärtlichkeit der Völkerscharen. Am Ende haben alle irgendwas, und doch hat jeder das – weihnachtlich typische – Gefühl einer verschenkten Gelegenheit. hds