nd-aktuell.de / 15.12.2009 / Politik / Seite 14

Eine Halberstädter Geschichte

Vom 17. Jahrhundert bis 1936 lebte die jüdische Familie Baer in der Stadt – ein Film zeigt wo

Uwe Kraus, Halberstadt
Der Filmemacher Hananya Baer begab sich in Halberstadt auf die Spuren seiner jüdischen Familie.

Auf dem 11. Jüdischen Filmfestival in Jerusalem, das den ganzen Dezember läuft, stellt Hananya Baer am 18. Dezember den Dokumentarfilm »Have will have« vor. Der Sohn Halberstädter Juden kam 2007 und 2008 in die Stadt zurück und drehte dort zumeist mit einer kleinen Handkamera.

Er erinnert sich, dass die Vergangenheit seiner Eltern in Deutschland nie ein Thema häuslicher Gespräche war. »Sie sprachen nur untereinander Deutsch, mit mir nur Hebräisch.« Die Familie Baer war in Halberstadt nachweislich seit Mitte des 17. Jahrhunderts ansässig. Sie gründete das Metallhandelshaus »Samuels Baer’s Söhne« sowie das Bankgeschäft »B. J. Baer«. Sie war auf vielfältige Art und Weise in das Stadtgeschehen eingebunden. Ernst Ezriel Baer (1890 bis 1968) hatte sich aus dem Stammhaus gelöst und ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Bis 1936 führte er in Halberstadt die Geschäfte, ehe er seiner Familie nach Palästina folgte.

Sein Sohn Hananya, 1943 in Palästina geboren, erinnert sich: »Mein Vater verstarb am 13. Juni 1968 in Bad Lauterberg. Ich war bei ihm. Er verbrachte dort einen Urlaub. Ich glaube, er fühlte sein nahes Ende. So wollte er noch einmal die Luft des Harzes atmen, den er so sehr liebte. Und er wollte seiner Geburtsstadt Halberstadt nahe sein, die damals in der DDR lag, so dass er nicht dort sein konnte.«

Die Erinnerung an die Sehnsucht von Ernst Ezriel Baer nach seiner Geburtsstadt Halberstadt erweckte in seinem Sohn Hananya den Wunsch, zu erfahren, welche Empfindungen eine Begegnung mit der Stadt und dem Stammhaus seiner Vorfahren dort bei ihm auslösen würde. Für seinen Film hat der zweifach mit dem Emmy-Award geehrte Filmkünstler fünf Schüler des Gymnasiums Martineum gebeten, ihn bei seinem kinematographischen Projekt zur Seite zu stehen. Die Gymnasiasten gehören zu einer Schülergruppe, die sich mit der jüdischen Geschichte und Kultur Halberstadts befasst.

Daraus entstand ein 71-minütiger Film von den Orten, an denen die Familie Baer über Generationen gelebt hatte. »Es gibt keine Gespräche, keine Kommentare, ich lasse den Sound der Plätze von heute wirken«, erklärte Hananya Baer.

Wie Jutta Dick, Direktorin der in Halberstadt beheimateten Moses Mendelssohn Akademie, mitteilte, ist klar, dass der Film »Have will have« im Rahmen des Halberstädter Projektes zur Internationalen Bauausstellung »Kultivierung der Leere« kommenden Sommer im Alten Hallenbad der Stadt gezeigt wird. Das sei ein sehr bildhafter Schritt, denn Baer spüre mit seinem Film Lücken in der Stadtgeschichte und in der Wahrnehmung durch die Einwohner nach.