nd-aktuell.de / 15.12.2009 / Berlin / Seite 11

NPD hat Führungsrolle verloren

Berliner Parteichef Jörg Hähnel will nicht zur Wiederwahl antreten / Landesverband findet keinen Nachfolger

Marina Mai

Berlins NPD-Chef Jörg Hähnel will nicht mehr. »Ich werde mich auf einem Parteitag nicht der Wiederwahl stellen«, bestätigt er. Einen Grund nennt er nicht. Der Parteitag der rechtsradikalen Partei soll, so Hähnel, »so schnell wie möglich Anfang 2010« stattfinden. Regulär wäre er erst im Mai geplant. Dem Landesamt für Verfassungsschutz liegen jedoch Informationen vor, dass der Parteitag bereits für Dezember geplant gewesen sei, aber nicht stattfinden konnte. Grund, so Isabelle Kalbitzer vom Landesamt: »Es findet sich kein Nachfolger.« Hähnel selbst erklärt: »Wir sind auf der Suche.«

Dabei mangelt es in Berlin nicht an Neonazis. Kalbitzer spricht von einer »unverändert stabilen Zahl der freien Kräfte von mehreren hundert.« Doch die NPD habe in dieser Szene ihre Führungsrolle verloren und kaum noch etwas zu melden, so Kalbitzer.

Der 34-jährige Liedermacher und Lichtenberger Bezirksverordnete Jörg Hähnel verfügt über etwas, was in der rechten Szene selten ist: Er hat rhetorisches Talent. Politisch ist er dem radikalen Flügel zuzurechnen, dem nach Einschätzung des Verfassungsschutzes die Berliner NPD mehrheitlich angehört.

Dennoch vermochte Hähnel sich nicht als Führungsfigur in Szene zu setzen. Im Gegenteil: In diesem Jahr verlor der Landesverband laut Verfassungsschutz erstmals seit Jahren Mitglieder: 40 von einst 290 Mitgliedern seien ausgetreten. Darunter waren Führungsfiguren wie die Kreischefs von Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf Hans-Joachim Henry und Gesine Hennrich. Hennrich gründete mit anderen Ex-NPDlern die kameradschaftsähnliche Vereinigung »Frontbann 24«, die letzten Monat verboten wurde. Andere Ex-NPDler versuchen die am Boden liegende Berliner DVU neu zu beleben oder haben dort ein kurzzeitiges Intermezzo gegeben.

Intern wird Hähnel als »Sängerknabe« verspottet und gilt als unfähig, mit Kritik umzugehen. Wenn die NPD etwas von ihrem historischen Vorbild radikal unterscheidet, dann ist es der Umgang mit dem Führerprinzip. Statt ihrem Führungspersonal bedingungslose Treue und Ergebenheit zu huldigen, zerfleischen sich Neonazis in Internetblogs gern gegenseitig und gehen mit ihren Parteiführern nicht zimperlich um. Im Dritten Reich konnte bekanntlich sogar das Erzählen von Führerwitzen lebensgefährlich sein.

Die Soziologin Helgard Kramer von der Freien Universität BERLIN vergleicht die Selbstzerfleischung und das Aufsplitten in allerlei organisatorische Minizirkel mit der ersten Hälfte der 1920er Jahre. »Damals gab es sektenähnliche Organisationen im rechten Spektrum wie die Organisation Consul, den Jungdeutschen Orden oder den Kyffhäuserbund. Erst etwa ab 1928 gelang es der NSDAP, die Führung im rechten Spektrum zu übernehmen.«

Doch die rechtsextremistische NPD verfügt weder auf Bundesebene noch in Berlin über eine unumstrittene Führungsfigur. Kramer sagt: »Hinzu kommt, dass die finanzielle Misere der NPD einen Parteijob im Moment nicht attraktiv macht.«