nd-aktuell.de / 19.12.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Chinas Nachdenken über Gold

Aufstockung der Reserven könnte Dollarverlusten entgegenwirken

Marian Krüger
China bereitet sich offenbar währungspolitisch auf eine neue Zeit vor – nach dem Dollar. Darin könnte Gold eine größere Rolle spielen.

Der Chef der chinesischen Finanzaufsicht, Ji Xiaonan, hat dieser Tage im Gespräch mit der Zeitung »China Youth Daily« zu erkennen gegeben, dass die Volksrepublik ihre Goldreserven verzehnfachen könnte, um sich gegen den Niedergang des US-Dollar abzusichern. Die Volksrepublik verfügt nach eigenen Angaben derzeit über einen staatlichen Gold-Bestand von 1054 Tonnen, die nach aktuellem Kurs ca. 37 Milliarden Dollar wert sind. »Wir empfehlen, dass China seine Goldreserven innerhalb von drei bis fünf Jahren auf 6000 Tonnen steigert und möglicherweise auf 10 000 Tonnen innerhalb von zehn Jahren«, so Ji Xiaonan.

Diese Empfehlung ist Ausdruck einer lebhaften Debatte von Wissenschaftlern und Wirtschaftsfunktionären der Volksrepublik darüber, wie sich China gegen den rapiden Wertverfall seiner Dollarreserven wappnen soll. So scheint es sehr ernsthafte Bestrebungen zu geben, einen Teil der Dollarreserven in Rohstoffe und Kapitalbeteiligungen im Öl- und Energiesektor umzuwandeln.

Seit 2000 hat die US-Währung allein gegenüber dem Euro ca. 50 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Für die USA hat dies gleich mehrere Vorteile. Exporte amerikanischer Unternehmen werden billiger, Importe ausländischer Konkurrenten teurer. Das Währungsrisiko für die exorbitant gestiegene Staatsverschuldung tragen die Gläubiger, denn der Wert der langfristigen Staatsanleihen schmilzt dahin. Dieses Problem betrifft nicht nur China, das einen großen Teil seiner Währungsreserven in Höhe von 1,95 Billionen Dollar in US-Staatsanleihen hält, sondern auch Länder wie Brasilien und Russland, die noch in den 90er Jahren hochverschuldet waren und inzwischen wegen des Rohstoffbooms riesige Dollarreserven aufgebaut haben.

Eine massive und langfristig angelegte Kaufaktion der Volksrepublik am Goldmarkt würde schnell an die Grenzen des bestehenden Angebotes stoßen. Die gegenwärtige weltweite Jahresförderung beträgt etwa 2500 Tonnen, hinzu kommt noch das Gold, das durch industrielles Recycling und Altgoldverwertung gewonnen wird. Eine Verzehnfachung der chinesischen Reserven würde also eine zusätzliche rechnerische Durchschnittsnachfrage von 1000 Tonnen pro Jahr bedeuten. Der damit verbundene massive Preisauftrieb für das Edelmetall würde den weiteren Wertverfall der US-Währung und damit die Erosion ihrer Rolle als globale Reservewährung beschleunigen. Davon wären natürlich auch die chinesischen Dollarreserven betroffen. Doch dies ist nur ein scheinbarer Widerspruch; denn Abwertung des Dollars heißt in diesem Falle Aufwertung der eigenen Goldreserven.

All dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass China praktische Schritte zu einem neuen Weltwährungssystem geht. Schon im Vorfeld des G20 Gipfels in London im Frühjahr 2009 hatte der chinesische Notenbankchef Zhou Xiaochuan die Ablösung des US-Dollar als Leitwährung gefordert. Im Oktober berichtete die britische Zeitung »The Independent«, China, Russland, Japan und die Golfstaaten würden erwägen, beim Ölhandel bis 2018 den Dollar als Transaktionswährung abzulösen. An dessen Stelle könnte ein Währungskorb aus dem chinesischen Yuan, dem japanischen Yen, dem Euro und aus Gold treten.

Lexikon

Gold ist ein glänzendes Edelmetall, das traditionell gerne als Krisenwährung verwendet wird. Hauptförderland ist Südafrika. Über die größten staatlichen Goldreserven verfügen die USA (8133 Tonnen) und Deutschland (3412 Tonnen). Der Preis für die Feinunze hat in diesem Jahr um rund 20 Prozent zugelegt – aktuell liegt er bei 1105 Dollar. In den letzten Tagen hat der Dollar gegenüber dem Euro wieder aufgewertet – und Gold wieder merklich an Wert verloren. ND