Das letzte Hemd

»Soul Kitchen«

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 3 Min.

Klar doch, was eine richtige Küche ist, das ist ein geselliger Ort, an dem alle ihre Lebenskräfte auftanken und wo aller Lebensmusterstücke zu einem haltbaren Patchwork zusammengenäht sind. Küche (fast) wie Kino. »Soul Kitchen«, das ist erst mal eine Kneipe. In Hamburg, in einem noch unlackierten, also unterschichtskräftigen Stadtteil in einer extrem hässlichen ehemaligen Lagerhalle, auf die natürlich alsbald ein knallharter Immobilienhai sein unerbittliches Auge geworfen hat – siehe Gängeviertel –, und der ist ausgerechnet ein ehemaliger Schulkamerad des Wirts. Die Küche, also das Essen, das sind im Wesentlichen Kartoffelsalat, Pommes, Bouletten, Currywurst. Wer da sitzt und isst und weiter nichts will, der ist im Wesentlichen Hartz IV. Eine Band in einer dunklen Ecke spielt vorzüglichen Soul. Allerdings am Publikum vorbei. Das soll sich ändern.

Denn dann kommt ein Koch (Birol Ünel), ein richtiger, leidenschaftlicher (gegen die »Gaumenrassisten«), daher ein durchaus flugs das Messer werfender im Dienste höherer Ess-Kultur. Fürs selbe Geld, also auch mit den üblichen Zutaten des einen alltäglichen, zaubert er vier Gerichte: »Essen für die Seele«: Nouvelle Cuisine lässt grüßen. Das Stammpublikum aber spricht weder Nouvelle, noch Cuisine, es bleibt dann mal weg. Die sich schließlich doch zu Tisch und Soul einstellende, neue Gästeschaft, die Yuppies, die das Angesagte mögen, werden kurze Zeit später leider vom Immobiliengeschacher dank Zockerschuld abserviert. Vorbei ist's mit der Seelen-, das heißt der Gesellschaftsküche.

Aber Soul fehlt dieser Komödie ohnehin, wie das Salz in der Suppe. Dabei hatte Fatih Akin, Deutschlands filmender Vorzeige-Migrations-Integrations-Türke, spätestens mit »Gegen die Wand« Rumpelkistenkinogängern wie Multiglitzerperplexern gezeigt, was ein guter Film ist. In der Königsdisziplin Komödie aber hat er's leider nicht geschafft. Hat die Einfälle und Gags – manch schöne, lustige, meist platte, flache, wackelige, derbe und ein total geschmackloser – zu einem kruden Gemisch verkocht. So muss seinen allseits bedrängten Restaurantbetreiber Zinos (Adam Bousdoukos), dessen große Liebe Nadine (Pheline Roggan) ihn aus Karrieregründen verlässt, ausgerechnet ein Bandscheibenvorfall ereilen – man hat sich eben zu viel aufgeladen. Ähnlich bandscheibengeschädigt stolpert und hinkt dann der ganze Film. Bevorzugt mit Zinos’ Bruder Illias (Moritz Bleibtreu), einem kleinkriminellen Knacki auf Freigang. Gebrüll und Gefuchtel und Getue machen's nicht besser.

Dass es dem sogenannten Hamburger Heimatmärchen an Gaumenfreudigem mangelt, das haben Anna Bederke, die wortkarge Kellnerin Lucia, Lucas Gregorowicz, der spielfreudige Kellner Lutz, Dorka Gryllus, die beherzte Physiotherapeutin, Wotan Wilke Möhring, der geborene Spekulant, Demir Gökgöl, der ängstlich-quengelige Bootsbauer Sokrates, Udo Kier, der an einem Knopf fast erstickende Investor Jung, weder Adam Bousdoukos noch Pheline Roggan und selbst der knallchargierende Moritz Bleibtreu nicht verdient.

Klar doch, in einer richtigen Küche singt kein Hans Albers: »das letzte Hemd hat leider keine Taschen ...«

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