Rodeln über Schweizer Käse

In den ostbrandenburgischen Rauener Bergen entsteht eine Allwetterbahn. Doch das Areal ist ein altes Bergbaugebiet

  • Sybille Gurack
  • Lesedauer: 5 Min.
Massenhaft Tagestouristen soll sie anlocken, die neue Rodelbahn nördlich von Bad Saarow in Brandenburg. Doch Kenner der Gegend warnen vor alten Stollen, die einbrechen könnten. In der Vergangenheit waren bereits Kraftfahrzeuge in Abbauhohlräume eingebrochen.

Ersehnt wird die Rodelbahn am Bunker Fuchsbau bei Fürstenwalde, aber auch bekämpft. Die 1000 Meter lange Allwetterbahn soll Ostern 2010 in Betrieb gehen. Fred Walter, Geschäftsführer der Scharmützel-Bob GmbH, ist stolz, mit der Firma Wiegand den Weltmarktführer unter den Rodelbahnerbauern für sein Projekt gewonnen zu haben. Mehr als 15 Jahre brütet Walter schon an diesem Plan. In Ungarn hatte er mal eine solche Bahnfahrt erlebt. Die Idee, selbst und hier eine solche Rodelstrecke in die Landschaft zu setzen, ließ ihn seither nicht mehr los. »Damals war die Zeit noch nicht reif. Aber jetzt!«

Stahlwellen in sechs Metern Höhe

Walter zeigt auf den Berg mit schon erkennbaren Schneisen im Baumbestand und erklärt mit Zukunftsgewissheit in der Stimme, welches Bild sich den Besuchern im kommenden Frühjahr bieten wird: Ein Lift zieht die Menschen, sie müssen mindestens sechs Jahre alt sein, im Schlitten den Berg hoch. 26 Meter Höhenunterschied sind zu überwinden.

Dann geht es bergab mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde. Die Schlitten können jedoch jederzeit gebremst werden. Mit Karacho sausen sie auf Stahlschienen in bis zu sechs Metern Höhe wellenförmig, in Schleifen und Kreiseln nach unten. Nach der Abfahrt zieht der Lift gleich noch einmal herauf zu einer zweiten Partie. Die Schlängelfahrten im Doppelpack sollen nicht mehr kosten als eine Karussellfahrt auf dem Weihnachtsmarkt. Das Gelände kaufte Walter von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Der Geschäftsführer hofft auf die Tagestouristen, die von der Autobahn 12 kommend in Richtung Bad Saarow reisen. Neben der Rodelbahn soll es in beziehungsweise vor einer ehemaligen Turnhalle der Nationalen Volksarmee noch zusätzliche Freizeitangebote wie Kletterwand, Gastronomie, einen Fahrradverleih sowie einen Bolzplatz und einen Abenteuerspielplatz geben. Selbstredend sind dem Bauherren die Argumente der Gegner seiner Attraktionen bekannt. Schließlich entsteht seine Anlage mitten im 300 Hektar großen Altbergbaugefährdungsgebiet. »Bestünde Gefahr, hätte ich keine Baugenehmigung erhalten«, kommentiert Walter die Befürchtungen der Anwohner.

Ähnlich gelassen sieht es auch der Bürgermeister der Nachbargemeinde Rauen, Sven Sprunghofer: »Wir bauen jetzt in den Rauener Bergen einen 36 Meter hohen Turm für Richtantennen.« Das Stahlgerüst mit Betonsockel wird von der EU gefördert und soll künftig von Technischem Hilfswerk, Polizei, Feuerwehr und Krankenhaus genutzt werden. »Der Turm an diesem trigonometrisch exzellenten Punkt verringert die Störanfälligkeit der Sender erheblich«, erklärt der Bürgermeister. Dass sich womöglich genau unter dem Baugelände ein alter Braunkohlestollen befinden könnte, hält er nicht für wahrscheinlich. »Da hat früher auch ein Turm gestanden«, winkt er ab. Allerdings war dieser Turm aus Holz. Befürchtungen, dass der Boden einbrechen könnte, hält Sprunghofer für nichts weiter als Panikmache.

Abbau bis in das Jahr 1950 hinein

Dagegen warnen die Mitglieder der Interessengemeinschaft Bunker Fuchsbau. Sie kennen die Rauener Berge wie ihre Westentasche: Die 153 Meter hohen Berge sind – wie ganz Brandenburg – während des Eiszeitalters von dem aus Skandinavien vorstoßenden Inlandeis geformt worden. Sie bestehen vorwiegend aus eiszeitlichen Ablagerungen: Schmelzwassersand und Geschiebemergel. Eine Besonderheit ist jedoch das gehäufte Auftreten von Sedimenten aus dem Tertiär: Sand und Braunkohle. Von 1843 bis 1874 wurden 1 740 000 Kubikmeter Braunkohle in den Rauener Bergen gefördert. Der Abbau wurde bis ins Jahr 1950 betrieben. Auch Formsande und Ton wurden gewonnen.

»Die Rauener Berge sind im Prinzip wie ein Schweizer Käse«, erzählt Silvio Winter von der Interessengemeinschaft Bunker Fuchsbau. Tatsächlich bestätigt eine Gefährdungsanalyse des Potsdamer Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2001 »eine komplizierte und schwer erfassbare Baugrundsituation«. In der Gefährdungsanalyse wird darauf hingewiesen, dass das bergmännische Risswerk unter Umstanden nicht alle bergbaulich genutzten Areale ausweise, wodurch auch außerhalb der bekannten Abbaubereiche eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden könne. Weil auf Stollen Steuern zu entrichten waren, sind nicht immer alle angegeben worden. Von einer »Vielzahl von Einzelbruchtrichtern« ist in der Analyse die Rede. Ein Traktor der Forstwirtschaft und ein mit Sand beladener Lastkraftwagen seien bereits eingebrochen, was auf größere Abbauhohlräume und unsachgemäßen Abbau schließen lasse. Gewarnt wird ausdrücklich vor Nutzungen, von denen eine dynamische Lasteinwirkung auf den Untergrund ausgehe. »Bei so einer Rodelbahn vibriert der Boden ständig. Da ist ein Einbruch doch vorprogrammiert«, meint Silvio Winter.

Eine Folge der Gefährdungsanalyse war eine Ordnungsverfügung, die unter anderem das Anbringen von Warnschildern vorschrieb. Die Ordnungsverfügung wurde jedoch formaljuristisch für gegenstandslos erklärt, und zwar durch das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe. Der Grund: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatte Widerspruch eingelegt. Begründet wurde der Schritt damit, dass die Warnschilder ja nun angebracht seien. Bloß mit Aufhebung der Ordnungsverfügung wurde die Gefährdung ja nicht aufgehoben.

Die Warnschilder ändern nichts an der Gefahr

Die Interessengemeinschaft Bunker Fuchsbau hat sich zwischenzeitlich vom Rechtsprofessor Eike Albrecht von der Technischen Universität Cottbus bestätigen lassen, dass das Aufstellen der Schilder keine Änderung der Sach- und Rechtslage darstelle, sondern nur die Ordnungsverfügung erfülle. Der Grund für die Ordnungsverfügung, nämlich die Gefährdung durch den Altbergbau, bestehe unverändert.

Der Wille der Bundesanstalt bestand darin, den Grundstückspreis nicht gegen Null laufen zu lassen und Bauherren nicht durch zusätzliche Auflagen zu verschrecken, vermutet Wolfgang Thiede, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Fuchsbau. »Die Liegenschaft ist von noch offenen Grubenbauen unterquert«, schrieb die Interessengemeinschaft in einem Offenen Brief am 10. Dezember ans Wirtschaftsministerium. Sie forderte Aufklärung, machte die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit deutlich und fragte, wie Baumaßnahmen dieses Umfangs gestattet werden konnten ohne geologische Bohrungen. Bis dato ist der Brief nicht beantwortet.

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