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Die Bärte sprießen

Oberammergau fiebert den Passionsspielen entgegen, doch die Krise ist auch dort zu spüren

  • Paul Winterer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Oberammergauer Passionsspiele gehen auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück. Seit 1634 wird die Leidensgeschichte Jesu regelmäßig aufgeführt, seit der Neuzeit alle zehn Jahre. Über 2500 Aktive wirken mit – jeder zweite Bewohner also. Doch der kommerzielle Erfolg steht in Frage.

Oberammergau. Die Bärte sprießen, die Haare wachsen auf stattliche Länge – untrügliches Zeichen in Oberammergau, dass die weltberühmten Passionsspiele bevorstehen. 2010 ist es wieder soweit, am 15. Mai hebt sich der Vorhang der riesigen Freilichtbühne zur Premiere des Spiels vom Leiden und Sterben Jesu Christi. Erstmals wird Christus dann zu später Nachtstunde ans Kreuz geschlagen. Spielleiter Christian Stückl verlegt den Höhepunkt seiner packenden Inszenierung in den späten Abend, um das Hereinbrechen der Nacht dramaturgisch nutzen zu können.

Ab Januar wird geprobt

Neu gegenüber den Millenniumsspielen 2000 wird auch das Bühnenbild sein. Bäume an den Rändern der fast 70 Meter breiten Bühne sollen beim Zuschauer mehr Intimität herstellen, wie der Regisseur hofft. Zudem wurde der Fußboden mit leuchtend blauem Estrich überzogen – die Farbe findet sich an den Seitenwänden und in den Gassen der Hauptbühne wieder. Viel bunter als in früheren Inszenierungen werden auch die zwölf »Lebenden Bilder« gehalten. Sie zeigen Darstellungen aus dem Alten Testament und passen sich zwischen den einzelnen Textpassagen in den Spielablauf ein.

»Die Vorbereitungen laufen sehr gut«, sagt Frederik Mayet, der in Personalunion einer der beiden gleichberechtigten Christus-Darsteller und der Pressesprecher der Passionsspiele ist. »Ab Januar wird fast täglich geprobt.«

Wenige Betten gebucht

Den Gemeinschaftssinn hatte Regisseur Stückl schon bei der Nominierung der Hauptdarsteller im April beschworen. »Es ist wichtig, dass wir alle miteinander die Passion spielen«, rief er den Bewohnern zu. »Nehmt es sportlich, wenn Ihr nicht unter den Auserwählten seid.«

Dennoch richtet sich das Augenmerk auf das junge Jesus-Duo. Mayet – im Hauptberuf Leiter der Pressestelle am Münchner Volkstheater, wo Stückl Intendant ist – gab bei der Passion 2000 den Lieblingsjünger von Jesus, Johannes. »Mit dem Jesusbild werde ich mich erst in den Proben intensiv auseinandersetzen«, sagte der 29-Jährige bei seiner Vorstellung als Hauptdarsteller, »am 15. Mai 2010 wird man es sehen.« Alles liefe nach Plan, wäre da nicht die weltweite Wirtschaftskrise, die auch die Gemeinde Oberammergau als Veranstalter der Passionsspiele zu spüren bekommen dürfte. Zwar sind die hauptsächlich von inländischen Besuchern genutzten Einzelkarten ohne Übernachtung so gut wie weg. Doch der Verkauf der Arrangements mit bis zu zwei Übernachtungen treibt Bürgermeister Arno Nunn Sorgenfalten auf die Stirn. »Die Leute entscheiden immer kurzfristiger, ob sie verreisen oder nicht«, erläutert der parteilose Rathauschef, der selbst nicht mitspielen darf, weil er noch nicht lange genug in der Gemeinde wohnt. Vor allem aus den USA und Großbritannien kommen viele Besucher. Von Hiobsbotschaften, der US-amerikanische Markt für die Buchung der teuren All-inclusive-Angebote könne aufgrund der Weltwirtschaftskrise zusammenbrechen, will man im Rathaus nichts wissen. Im Januar werde sich schon zeigen, dass eine Auslastung der 102 Aufführungen von 85 Prozent erreicht wird, gibt sich Nunn zuversichtlich. Diese Zielmarke muss erreicht werden, um einen Reingewinn von 28 Millionen Euro zu erzielen.

www.passionsspiele2010.de

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