ND: Die Christoffel-Blindenmission hat mehrere Projekte in Haiti. Womit beschäftigen diese sich?
Dr. Brockhaus: Wir haben derzeit auf Haiti sieben Projekte. Von diesen sind fünf direkt in oder in der näheren Umgebung von Port-au-Prince. Entsprechend der Ausrichtung unserer Mission geht es dort um die Unterstützung und Betreuung von Menschen mit Behinderung. Wir haben aber auch eine Einrichtung für Blinde und Gehörlose, eine Werkstatt für körperlich Behinderte und eine Schule für geistig behinderte Kinder (Foto rechts).
Wissen Sie, wie es jetzt dort aussieht?
Die Nachrichten, die wir haben, sind noch sehr unscharf. Es sieht im Moment so aus, dass ein Krankenhaus, in dem wir die Augenabteilung betreiben, noch steht. Wir können aber nicht sagen, ob die technische Infrastruktur, die Geräte oder das Gebäude selbst beschädigt sind. Das lässt sich nicht nach Augenschein feststellen. Wir wissen allerdings, dass die Schule für geistig behinderte Kinder, die ich gerade erwähnt habe, wohl schwer beschädigt ist. Und wir wissen auch, dass zwei der Lehrer ums Leben gekommen sind.
Von Ihrer Mission sind jetzt zwei Mitarbeiter nach Haiti unterwegs. Was wollen sie dort erreichen?
Es handelt sich um eine Mitarbeiterin aus Brüssel, die spezialisiert ist auf die Koordination von Nothilfearbeit, und den Regionalleiter unseres Südamerikabüros aus Ecuador. Sie sollen prüfen, was beschädigt und was noch nutzbar ist. Es geht auch darum, die verschiedenen Nothilfeaktivitäten, die jetzt anlaufen, auch mit anderen Gruppen und Organisationen zu koordinieren.
Wir wissen, dass das Technische Hilfswerk am Mittwoch schon ein Vorauskommando von vier Leuten nach Haiti geschickt hat. Gegenwärtig sind zehn Leute unterwegs, die sich speziell um Trinkwasserversorgung und -aufbereitung kümmern werden. Unser Leiter des Südamerikabüros wird die Kommunikation zwischen den lokal Betroffenen und dem technischen Team sicherstellen.
Bringen die Ankommenden gleich Hilfsgüter mit?
Nein, noch nicht. Im Moment geht es darum, Leben zu retten, Menschen aus den Trümmern zu bergen, sicherzustellen, dass die Gruppen von Menschen, die am stärksten betroffen sind – Kinder, schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen –, wirklich mit den Basisdingen ausgestattet sind wie Nahrung und Wasser. Weitere Aufgabe ist es, diese Menschen soweit zu schützen, dass keine Behinderungen oder bleibende körperliche Schäden entstehen. Das heißt, Verletzungen müssen schnell versorgt werden. Als nächstes geht es um den Wiederaufbau medizinischer Infrastruktur. An diesem Punkt wird die Christoffel-Blindenmission dann sehr stark wieder einsteigen.
Die CBM arbeitet in Port-au-Prince mit behinderten Kindern. Wie funktioniert das in normalen Zeiten?Es geht dort um die Frühförderung und Betreuung von geistig behinderten Kindern schon in den ersten Lebensjahren. Wie bei allen Menschen sind diese Jahre entscheidend für die Bildung.
Das Schicksal dieser Schule ist etwas, was mich persönlich sehr berührt, weil ich mir dabei immer vorstelle: Da sind Kinder, für die es schwierig genug ist, die normale Welt, die unbeschädigte Welt zu verstehen und aufzunehmen. Und jetzt kommen sie in eine Situation, wo sich diese Welt komplett verändert. Sie können das Geschehen ja gar nicht einordnen. Sie wissen auch nicht, ob das irgendwann wieder aufhört. Sie wissen nur, dass ihre Welt durcheinander ist. Sie wurden neben der materiellen Not in ein schweres emotionales Chaos und Trauma gestürzt.
www.cbm.de[1]
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/163027.jetzt-geht-es-ums-reine-ueberleben.html