Akustik aus der Blechbüchse

Excalibur – keltisches Rockspektakel gastierte in Berlin

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.
Eindrucksvoll: Michael Mendl als Zauberer Merlin
Eindrucksvoll: Michael Mendl als Zauberer Merlin

Einer der massivsten Trends der Live-Musik-Branche der letzten Jahre, so belegen die Untersuchungen des britischen Soziologen Simon Frith, ist die sogenannte Kommodifizierung – das Konzertereignis als Ware, eine logische Entwicklung, wenn mit Tonträgern kein Geld mehr zu machen ist. Das zwingt die Künstler, die ihre großen Acts zum Teil vor über 20 Jahre hatten und deren Bands längst aufgelöst oder aus den Charts verschwunden sind, als personifizierter Mythos der eigenen Vergangenheit auf der Bühne zu stehen. Sie sind handwerklich und musikalisch perfekt geblieben, doch die Patina, mit der sich auch Buena Vista Social Club immer noch exquisit vermarkten lässt, überdeckt beim Ensemble auf der Excalibur-Bühne das freche Rockerflair früherer Zeiten.

»Ich komme mir vor wie bei Nokia Night of the Proms«, kommentierte Sandra, eine der wenigen jungen Zuschauerinnen, treffend, was dem Publikum in der Berliner Max-Schmeling-Halle am Sonnabend geboten wurde. »Die sind auch alle aus den 80ern.« Sandra fasste damit zusammen, was ein Event wie The Celtic Rock Opera charakterisiert: Für ein eher älteres Publikum spielen eher ältere Musiker ewig junge Musik, konkret ein Konzeptalbum, das der bretonische Autor und Komponist Alan Simon 1987 veröffentlichte. Technisch aufgedröhnt, als Mix aus Rockballade, Varieté und Folklore, verpackt in Superlative – das Programmheft nennt nicht nur die Zahl der Mitarbeiter der Produktion (200), sondern auch, wie viele Trucks für die Tournee unterwegs sind (18), wie lang das Mischpult ist (17 Meter) und wie viele Kilometer Kabel verlegt wurden (30). Guy Debords »Gesellschaft des Spektakels« in Reinform!

Excalibur nun erzählt – »vage«, wie mich Sandras Begleiter Stephan aufklärte – die Geschichte von König Artus und den Rittern der Tafelrunde. Den Erzähler – dem Sujet entsprechend Merlin, der Zauberer – gab, vom gelegentlich albernen Abrutschen ins Comedy-Fach abgesehen, recht eindrucksvoll Michael Mendl. Der erst zarte, dann harte Artus wurde im unfreiwillig körperlichen Kontrast zur Sagengestalt vom eher massigen Johnny Logan (»Hold me now«) in schwarzem Leder verkörpert. Musikalische Highlights des Abends waren John Halliwell (Supertramp) am Saxofon, Martin Barres Gitarrenriffs (Jethro Tull) und Corvus Corax, die nicht nur authentische Mittelalterklänge aus ihren selbst gebauten Schalmeien und Dudelsäcken zaubern, sondern genial aussehen. Ihre Performance brachte tatsächlich einen Hauch Mystik in die Mehrzweckhalle. Meine persönlichen Favoriten im insgesamt recht willkürlichen Mix der Genres waren die magischen Stelzengestalten von »Feuervogel«.

Schwach blieb leider – dem gigantischen Apparat zum Trotz – die Technik. Über die Ästhetik des ständig im Bühnenhintergrund laufenden Bildschirmschoners – Meer, Rosenblätter, Psychedelisches – lässt sich streiten. Peinlich ist, wenn der Beamer immer wieder ausfällt. Noch peinlicher ist, wenn eine »Rockoper« – wir denken dabei an Tommy (The Who), The Wall (Pink Floyd) und Ziggy Stardust (David Bowie), also an Rock und exzellenten Sound – akustisch aus der Blechbüchse kommt. Merlin klang leider oft schrill, leise Soli wurden vom Lüftungssystem übertönt, die irgendwie sowieso nicht in die Geschichte passenden irischen Tap-Dancer sah man zwar auf der Bühne hüpfen, aber ihre Taps gingen meist in einer akustischen Soße unter.

Den Zuschauern hat es trotzdem gefallen. Und die 100 Darsteller waren mit merklich viel Spaß dabei. Vermutlich ist ein musikalisches Ritter-Spektakel letztlich aber besser Open Air aufgehoben. Im geschlossenen Raum, wo statt eines geheimnisvoll zum Träumen einladenden Sternenhimmels nur Arenagestänge über einem schwebt, wird man nicht wirklich von Lancelot, Artus oder Merlin gebannt. »Vergiss die Welt der Sterblichen« mahnt Morgana den Magier zu Anfang. Die Qualität der Künstler hätte es für die zweistündige Show hergegeben. Das Ambiente leider nicht.

Tournee-Daten: www.excalibur-show.com.

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