Spitzfeder

Kurt Bartsch tot

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Jetzt ist überall zu lesen, er sei der Autor der erfolgreichen TV-Serie »Unser Lehrer Doktor Specht« gewesen. Ach, der. Toll. Ja, war er. Aber Reihen-Popularität frisst das Wahre auf. Der Drehbuchschreiber Kurt Bartsch war einer der bissigsten, skurrilsten, witzigsten Dichter einer DDR, die er nicht so haben wollte, wie er sie verdichtete. »Immer glauben, nur nicht denken/ und das Mäntelchen im Wind./ Wozu noch den Kopf verrenken,/ wenn wir für den Frieden sind?// Brüder, seht die rote Fahne/ hängt bei uns zur Küche raus. /Außen Sonne, innen Sahne –/ nun sieht Marx wie Moritz aus.« Heißt es im Gedicht vom sozialistischen Biedermeier, im Lyrik-Erstling »zugluft«, Verse, Sprüche, Parodien auf Schriftsteller, 1968 im Aufbau-Verlag erschienen.

Die Zugluft wehte tatsächlich, Bartsch fühlte es rasch. Er überschritt Frechheitsgrenzen, Grenzen waren das sensible Gelände. Bartsch attackierte die Anpassungsmuster, die sich Sozialismus nannten, einen »Kämpfer« porträtierte er so: »fast hätte er sich beteiligt/ an der revolution.// er fluchte schon.«

Bartsch, 1937 in Berlin geboren: ein Zufallsüberlebender, man rettete ihn aus Trümmern des zusammenbrechenden Krieges. Sein früher Traum: Künstler werden, also nicht regelmäßig arbeiten, also: frei sein. Nötiges Geld für die Bohème erarbeitete er sich als Sargverkäufer und Leichenträger. Ein Studium am Leipziger Literaturinstitut beendete er vorzeitig. Genauer: Er wurde beendet, wie Sarah Kirsch und Helga M. Novak mit ihm. Eine Zeit war er Hausautor an der Volksbühne – die erst jüngst wieder seine Songspiele (»Der Bauch«) hervorholte. Er unterschrieb die Biermann-Petition, gehörte 1979 zu den Ausgeschlossenen aus dem Schriftstellerverband, ein Schandtiefpunkt der Kulturpolitik, ging in den Westen.

Nun ist Kurt Bartsch, die Spitzfeder, zweiundsiebzigjährig in Berlin gestorben. hds

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