Dunkle Materie verweht

Studie löst Widerspruch zwischen gängiger Theorie und der realen Struktur von Zwerggalaxien

  • Walter Willems
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit rund 25 Jahren erklären die meisten Astronomen die Entwicklung des Universums mit Hilfe der Dunklen Materie. Demnach besteht der Großteil des Weltalls aus den mysteriösen Teilchen, die sich zwar nicht direkt beobachten lassen, deren Existenz aber anhand ihrer Anziehungskraft abgeleitet wird. Diese Dunkle Materie soll über 80 Prozent der Masse einer Galaxie ausmachen.

Der gängigen Theorie zufolge vereinen sich in der Geschichte des Universums kleinere Strukturen zu immer größeren Gebilden – bis hin zu dem Netz von Galaxien, das das Weltall durchzieht. Diese Annahme erklärt die Entwicklung des Weltalls in großen Dimensionen erstaunlich zuverlässig, hatte bislang aber im relativ kleinen Maßstab, also mit Blick auf die Struktur einzelner Sternensysteme, eine grundlegende Schwäche: Denn demnach müssten die Zentren dieser Galaxien weitaus mehr Sterne sowie Dunkle Materie enthalten und daher auch schneller rotieren, als tatsächlich messbar ist. Dies gilt insbesondere für die Zwerggalaxien, deren Dunkle Materie zum Zentrum hin nicht stark zunimmt, sondern weitgehend konstant bleibt. Diesen grundlegenden Widerspruch wollen amerikanische und Schweizer Astronomen im Magazin »Nature« (Bd. 463, S. 203) aufgelöst haben.

Mit äußerst aufwändigen Computersimulationen berechneten sie detailliert die Entstehung einer scheibenförmigen Zwerggalaxie, wobei sie auch die Entwicklung von Sternen berücksichtigten. »Die meisten früheren Arbeiten enthielten nur eine simple Beschreibung, wie und wo Sterne in Galaxien entstehen, oder sie vernachlässigten die Sternbildung ganz«, sagt Fabio Governato von der Universität von Washington in Seattle.

Die Forscher erklären das vermeintliche Paradoxon nun damit, dass die besonders massereichen Sterne sehr kurzlebig sind und schließlich als Supernova explodieren. Die dabei entstehenden Winde schleudern gewaltige Gasmengen aus dem Zentrum der Galaxien und verhindern damit die Entstehung vieler neuer Sterne. Die Explosion verdrängt zudem auch die Dunkle Materie aus dem Zentrum des Sternsystems, das dann wegen der geringeren Dichte langsamer rotiert.

In einem »Nature«-Kommentar fordert die Astronomin Marla Geha von der Universität Yale, die »kühne« Theorie weiter zu überprüfen. Sie sieht die Forscher aber auf dem richtigen Weg: Denn Bilder ihrer simulierten Zwerggalaxie lassen sich von einem tatsächlichen derartigen Sternsystem kaum unterscheiden. »Ein seit langem bestehendes Problem könnte nun ziemlich buchstäblich vom Winde verweht sein«, schließt Geha.

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