nd-aktuell.de / 09.02.2010 / Brandenburg / Seite 14

Vaterschaftstest von Amts wegen

Mit Tricks kann eine Geburt ein Aufenthaltsrecht verschaffen / Anwälte sehen Generalverdacht gegen binationale Paare

Marina Mai

Mehrere Rechtsanwälte erheben schwere Vorwürfe gegen die Ausländerbehörden in Berlin und Brandenburg sowie gegen märkische Jugendämter: Diese stellen binationale Eltern unter Generalverdacht, wird gerügt.

»Meine Mandanten werden reihenweise zum Gentest geschickt, um festzustellen, ob der Vater tatsächlich der Vater ist«, sagt etwa Anwältin Katharina Fröbel. Der Gentest müsse durch die jungen Familien in der Regel auch selbst bezahlt werden. Kosten: rund 500 Euro, für viele junge Familien eine immense Summe.

Bis ein Ergebnis vorliege, bekomme das Kind keine Geburtsurkunde. Das ausländische Elternteil hat während der Prüfung keinen Anspruch auf Integrationskurse oder auf einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch Kinder- und Erziehungsgeld gibt es bei vielen Betroffenen erst, wenn sich ein Anwalt einschaltet, oder gar nicht, solange geprüft wird.

Möglich sind solche durch die Behörden angeordneten Gentests bei binationalen Kindern seit Mitte des Jahres 2008. Der Grund: Vaterschaften wurden missbräuchlich anerkannt. Bekamen beispielsweise eine Bosnierin und ein Deutscher ein gemeinsames Kind, so erhielt das Kind mit der Geburt den deutschen Pass. Die bosnische Mutter erhielt als Mutter eines Deutschen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Hier hat es Missbrauchsfälle gegeben: Deutsche Sozialhilfeempfänger und Obdachlose sollen gegen Geld Vaterschaften anerkannt und damit Ausländerinnen zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland verholfen haben. »Ich habe gar nichts dagegen, dass Behörden in Verdachtsfällen prüfen«, erklärt Anwältin Petra Schlagenhauf. »Ich halte nichts von Scheinvaterschaften. Damit wird ein Kind um seine Identität betrogen. Aber was jetzt passiert, ist insbesondere in Brandenburg ein Pauschalverdacht gegen binationale Kinder.«

Solche Pauschalprüfungen haben die Anwälte Katharina Fröbel, Dominique Schimmel, Petra Schlagenhauf und Gerhard Howe bei den Ausländerbehörden in Rathenow, Oranienburg, Seelow, Elbe-Elster und Brandenburg an der Havel beobachtet.

In Berlin sei das Vorgehen vorsichtiger: Die Vaterschaftsanfechtungen in der Hauptstadt haben wegen Unstimmigkeiten zwischen dem Senat und den Bezirksämtern erst im November begonnen. Die Ausländerbehörde schickt hier nur selten direkt zum Gentest. Sie leite aber ein bis zu zwei Jahre währendes Verfahren ein, erzählt Anwalt Rolf Stahmann. Darum schlage er Mandanten öfter vor, »freiwillig zum Gentest zu gehen«. Die Schwierigkeit: Eine Mandantin hat nicht das Geld für den Gentest. Mehrere Rechtsanwälte haben die Erfahrung gemacht, dass Berlin anders als Brandenburg soziale Vaterschaften schützt, also wenn sich ein Vater um das Kind kümmert, ohne der biologische Vater zu sein. So fordert es auch das Gesetz.

Die Anfechtungen haben Folgen, auch wenn noch kein Ergebnis vorliegt. So vertritt Anwalt Gerhard Howe einen vietnamesischen Mandanten aus Rathenow, der Vater von Zwillingen geworden ist. Die Mutter lebte mit den Neugeborenen und einem älteren Kind in Berlin. »Die Ausländerbehörde in Rathenow hat meinem Mandanten keine Aufenthaltserlaubnis erteilt und ihm untersagt, den Landkreis zu verlassen, um in Berlin seine Kinder zu betreuen. Dabei wären gerade bei Zwillingen zwei erwachsene Versorger dringend nötig.« Erst das Oberverwaltungsgericht hat dieses Verbot aufgehoben.

Nach Angaben der Landesregierung gibt es in Brandenburg bisher 70 Vaterschaftsanfechtungen, von denen 40 bei Gericht anhängig sind. In Berlin regte die Ausländerbehörde nach eigenen Angaben 245 Vaterschaftsanfechtungen an, die jedoch zum allergrößten Teil noch nicht bei Gericht verhandelt wurden.

Sowohl die Berliner Senatsinnenverwaltung als auch das Potsdamer Innenministerium distanzieren sich von dem Vorwurf, dass binationale Eltern pauschal unter Verdacht stehen.