nd-aktuell.de / 11.02.2010 / Brandenburg / Seite 9

Jung, männlich und unpolitisch?

Juristen der Freien Universität haben eine Studie über die Gewalt am 1. Mai 2009 erstellt

Martin Kröger

Alle Täter jung, männlich, unpolitisch und meist besoffen? So einfache Antworten freilich will die Studie »Analyse der Gewalt am 1. Mai 2009 in Berlin« von Kriminologen der Freien Universität (FU) nicht geben. Vielmehr hatten die Forscher um Projektleiter Klaus Hoffmann-Holland den Anspruch, ein differenziertes Bild der Mai-Krawalle zu zeichnen. Gestern wurde die 135 Seiten starke Untersuchung im Dienstgebäude des Berliner Innensenators Ehrhart Körtings (SPD) vorgestellt.

Ein Ergebnis der wissenschaftlichen Studie: Die Gruppe der Festgenommenen am Abend des 1. Mai unterschied sich stark. Im Durchschnitt waren die Beschuldigten 22,5 Jahre alt, zu 93 Prozent männlich, in der überwiegenden Zahl aus Berlin oder der näheren Umgebung. »Es handelt sich also um ein regionales Phänomen«, erläuterte Hoffmann-Holland. Und: Nur bei einer Minderheit von 15 Prozent habe es Vorerfassungen wegen sogenannter politischer Konflikte gegeben. Darüber hinaus ergab die Analyse, dass sich die Gewalt in der Hauptsache gegen die Polizei richtete. Als besonders auffällig für die Gewaltmotivation bezeichnete der Projektleiter die Rolle des Konsums von Alkoholika – bei 56 Prozent wurde dies als Einwirkung auf die Tat gewertet.

Die Forscher meinen überdies herausgefunden zu haben, dass am 1. Mai verschiedene Motivationen ineinander greifen: Zum militanten Ausdruck politischen Protests kam der Widerstand gegen die anwesenden Polizisten und deren teils repressives Vorgehen, für eine dritte Gruppe stand demnach vor allem der Spaß an einem aufregenden Erlebnis im Vordergrund. Insofern unterschieden sich auch die Auseinandersetzungen in direkter Nähe zur »Revolutionären 1. Mai-Demonstration« und der »Riots« im Verlauf des weiteren Abends.

In Auftrag gegeben war die Untersuchung vom Senat, der sich davon mehr Informationen über die Personen versprach, die am 1. Mai gewalttätig handelten. Dahinter verbirgt sich das Dilemma der Politik, dass man nicht wirklich weiß, mit wem man es zu tun hat. Schließlich hatte im vergangenen Jahr offenbar lediglich eine kleine Minderheit der Festgenommenen einen »politischen Hintergrund«, während der Großteil zuvor nie bei Auseinandersetzungen mit der Polizei aufgefallen war. Diese Blackbox sollten die Forscher aufhellen.

Ob das angesichts der schmalen Datengrundlage gelungen ist, blieb fraglich. Die Juristen der FU werteten für ihre Analyse nämlich einerseits die zur Verfügung stehenden Akten zu politischen Strafverfahren zum 1. Mai aus – insgesamt 193 Anzeigen hatte es 2009 gegen Privatpersonen gegeben. Zum anderen führten sie 29 Interviews. Als dritte Komponente werteten die Forscher 79 Blogs im Internet aus.

Projektleiter Hoffmann-Holland räumte gestern bei der Präsentation zwar »Schwierigkeiten« und die »Komplexität« des Themas ein, nahm dennoch in Anspruch, kein »repräsentatives«, aber immerhin ein »authentisches« Bild der Gewalt am 1. Mai in Kreuzberg gezeichnet zu haben. Politisch wollte Hoffmann-Holland seine Studie indes nicht einschätzen. Trotzdem wurde des öfteren bei der Vorstellung Kritik an der Taktik der Polizei deutlich, deren Festnahmestrategien etwa Gewalt von Umstehenden erst auslösen würden, so Hoffmann-Holland.

Der Senat als Auftraggeber will die Ergebnisse der Studie in Ruhe auswerten, kündigte Innenstaatssekretär Thomas Härtel an. Für ihn habe die Untersuchung vor allem gezeigt, dass »die Auseinandersetzungen des 1. Mai nur zu einem Teil einen »linksextremistischen« Hintergrund haben.

Für den nächsten 1. Mai plant der Senat unterdessen bereits, alle Verantwortlichen frühzeitig an einen Tisch zu bringen. Zudem soll die Prävention an den Schulen verstärkt werden. Auch ein noch rigideres Flaschenverbot wird erwogen. Nicht zuletzt könnte sich Härtel den verstärkten Einsatz von Zivilpolizisten vorstellen, um Festnahmen nicht so martialisch erscheinen zu lassen.

www.fu-berlin.de/maistudie[1]

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  1. http://www.fu-berlin.de/maistudie