nd-aktuell.de / 16.02.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Geschichte eines Kompromisses

Vor fünf Jahren trat das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz in Kraft

Steffen Schmidt
Vor genau fünf Jahren trat das im Dezember 1997 abgeschlossene Klimaschutzprotokoll von Kyoto in Kraft. Der Flop des UN-Klimagipfels in Kopenhagen verfehlte dieses Jubiläum nur knapp.

Eigentlich hatte die Mehrheit der Umweltfreunde das Kyoto-Protokoll Ende 2004 bereits abgeschrieben. Der US-Senat hatte trotz Unterschrift von Vizepräsident Al Gore schon kurz nach dessen Rückkehr aus Japan eine Ratifizierung verweigert. Damit war der damals größte C02-Emittent schon weg. Und auch in Russland wurden nach anfänglicher Zustimmung – Reduktionsverpflichtungen gab es für das Land nicht – zunehmend Stimmen laut, die den Klimawandel zur Fiktion und feste CO2-Emissionsgrenzen für wirtschaftlich schädlich erklärten. Doch für ein Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls bedurfte es der Ratifizierung durch mindestens 55 Staaten, die insgesamt auch für mindestens 55 Prozent der Treibhausgasemissionen der sogenannten Annex-I-Staaten geradestehen mussten.

Im November 2004 geschah das kaum noch Erwartete: Russland ratifizierte das Protokoll doch noch. Damit konnte es am 16. Februar 2005 in Kraft treten. Inzwischen haben 189 Länder sowie die EU das Protokoll ratifiziert, sie repräsentieren 63,7 Prozent der Emissionen der Industrieländer.

Die Ziele des Abkommens lesen sich bescheiden: Um durchschnittlich 5,2 Prozent sollten die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen bis 2012 reduziert werden. Ausgangswert ist der Stand von 1990. Dabei erfasst das Protokoll neben CO2 die Treibhausgase Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas, N2O), teilhalogenierte Kohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Damit legte das Abkommen immerhin erstmals konkrete Ziele für die Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase in 36 Ländern fest – den westlichen Industrieländern und den Staaten des ehemaligen Ostblocks.

Anknüpfend an die bereits in der Klimarahmenkonvention 1992 von Rio de Janeiro festgehaltene unterschiedliche Verantwortung für den heutigen Zustand der Erdatmosphäre gab es für Entwicklungs- und Schwellenländer in Kyoto keine Reduktionsziele. Um Klimaschutz und Entwicklung mit einem Marktmechanismus besser unter einen Hut bringen zu können, wurden im Kyoto-Protokoll zwei Mechanismen zur Einbindung von Entwicklungs- und Schwellenländern vereinbart: der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) und die sogenannte gemeinsame Reduktion (JI). Beide Maßnahmen sollten sicherstellen, dass mit niedrigsten Kosten die größtmögliche Reduktion von Treibhausgasen erreicht wird.

Was nach dem Scheitern mehrerer Anläufe zu einem Nachfolgeabkommen im Rückblick wie ein erstaunlicher Erfolg des Umweltgedankens wirkt, wurde unmittelbar nach der Unterzeichnung in Kyoto von vielen Umweltorganisationen als fauler Kompromiss kritisiert. Das beginnt schon mit den fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei Nichterfüllung der Verpflichtungen. Zudem ist nach heutigem Stand der Wissenschaft zweifelhaft, ob die vereinbarten Ziele ausreichen, um das weithin anerkannte Ziel zu erreichen, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Und die damals vereinbarten Mechanismen zum Emissionsrechtehandel luden zum Missbrauch ein. Viele vermeintliche Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die sich Investoren aus den Industriestaaten gutschreiben ließen, hätten ohnehin stattgefunden, besaßen also keinerlei zusätzliches Einsparungspotenzial.

Die Schwäche des Abkommens wird am deutlichsten, wenn man die realen Veränderungen betrachtet. Und da erweisen sich die Unterschiede zwischen Staaten, die das Protokoll ratifiziert haben, und solchen, die es nicht taten, zuweilen als marginal: Vertragsstaat Spanien etwa produzierte 2008 dreimal mehr Treibhausgase als vertraglich festgelegt, während Großverschmutzer USA »nur« doppelt so hoch lag. Es geht offenbar auch ohne Abkommen manches. Dennoch wäre es gut, wenn im Dezember im mexikanischen Cancún endlich ein besseres Nachfolgeabkommen zustandekäme.