nd-aktuell.de / 17.02.2010 / Politik / Seite 8

120 Kilometer Menschenkette?

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Kampagne »ausgestrahlt«, zu geplanter Anti-Atom-Aktion / »ausgestrahlt« will unter anderem gegen längere Laufzeiten für AKW mobilisieren

Fragwürdig: 120 Kilometer Menschenkette?

ND: Anti-Atom-Gruppen, Umweltverbände, Gewerkschaften und Parteien wollen am 24. April mit einer Menschenkette für den Atomausstieg demonstrieren.
Stay: Die Aktions- und Menschenkette soll vom AKW Brunsbüttel über das AKW Brokdorf durch Hamburg zum AKW Krümmel führen, das sind etwa 120 Kilometer. An den AKW-Standorten und an vielen anderen Stellen der Menschenkette gibt es Kundgebungen, Musik, Happenings und Aktionen. Es gibt beispielsweise Leute, die feiern am 24. April ihren Geburtstag in der Kette und laden alle ihre Freunde dazu ein.

Wie viele Leute müssen mitmachen, um die Kette zu schließen?
Schon eine Kette, in der die Leute im Abstand von etwa fünf Metern stehen, ist ein Erfolg. Dafür wären 24 000 Menschen nötig. Aber natürlich kann die Kette auch enger aufgestellt sein. Dann wird die Aktion wirklich gigantisch. Zigtausende sind unzufrieden mit der Atompolitik der Bundesregierung. Eine Menschenkette macht Spaß, da kommen auch viele, die nie zu einer Demo fahren würden.

Ist die Zeit für die Mobilisierung nicht etwas knapp?
Doch, sehr knapp sogar. Aber wir wollen jetzt ein deutliches Zeichen setzen, bevor die atompolitischen Entscheidungen fallen. Außerdem vermuten wir, dass diese Idee eine ungeheure Dynamik entwickelt und sich sehr schnell herumspricht. Natürlich müssen viele mithelfen, damit es wirklich gelingt. Das Spektrum der aufrufenden Gruppen reicht von Anti-Atom-Initiativen bis zur SPD.

Hat ein so breites Bündnis überhaupt gemeinsame Forderungen?
Alle wollen den Ausstieg. Über das Tempo sind wir unterschiedlicher Ansicht. Ich persönlich denke, dass alle Reaktoren angesichts der Gefahren sofort stillgelegt werden müssen. Andere wollen zumindest die Verlängerung der Laufzeiten verhindern. Wichtig ist jetzt aber, dass alle Atomkraftgegner gemeinsam Druck auf die Bundesregierung machen, damit möglichst viele AKW abgeschaltet werden. Die Pannenreaktoren Krümmel und Brunsbüttel dürfen auf keinen Fall wieder ans Netz. Einigkeit besteht auch, dass die Durchsetzung der Erneuerbaren Energien nur in großem Tempo weitergehen wird, wenn die AKW aus dem Weg sind.

Warum findet die Aktion am 24. April statt?
Wir wollen auf der Straße sein, bevor der Pannenreaktor in Krümmel wieder in Betrieb gehen soll und bevor die Bundesregierung mit den Stromkonzernen über längere AKW-Laufzeiten und Sicherheitskriterien redet. Zwei Tage nach der Kette, am 26. April, jährt sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum 24. Mal.

Gibt es Vorbilder für die Aktion?
Ja. 1983 bildeten 400 000 friedensbewegte Menschen eine 100 Kilometer lange Kette von Stuttgart nach Neu-Ulm. 1984 waren 10 000 bei einer Menschenkette im Wendland. Und 2009 beteiligten sich 20 000 an einer 53 Kilometer langen Lichterkette von Braunschweig über die Asse bis Schacht Konrad.

Sollen sich die Leute einfach irgendwo aufstellen?
Wir teilen die Strecke außerhalb Hamburgs in einzelne Abschnitte von 8 bis 14 Kilometer Länge, die jeweils Partnerregionen aus ganz Nord- und Ostdeutschland zugeordnet sind. Je nachdem, von wo jemand anreist, kommt er oder sie zum entsprechenden Streckenabschnitt. Von da aus verteilen sich die Menschen zu Fuß und mit Bussen auf die Strecke. Die Streckenaufteilung und die Zuordnung der Regionen sind aber noch in Arbeit.

Fragen: Reimar Paul