nd-aktuell.de / 18.02.2010 / Kultur / Seite 16

Leseprobe

Moabiter Notizen

Ich bin vielleicht nicht die Einzige, die erfreut darüber ist, dass Erich Honecker mit dieser Neuauflage der »Moabiter Notizen« noch einmal zu Wort kommt. Und das während der so widersprüchlichen Debatte über das politische Geschehen in Deutschland seit den umwälzenden Ereignissen der 80er Jahre ...

Erich Honecker machte seine »Notizen« 1992 in Moabit, seine Schrift war schon nicht mehr gut leserlich. Er schrieb die letzten Zeilen hier in Chile mit der Schreibmaschine selbst und diktierte mir Passagen aufs Tonband.

Der Verlag stellte dem Buch bei der Erstveröffentlichung die Bemerkung voran, dass seine Sicht der Dinge »sehr subjektiv« sei. Sicher, es war seine persönliche Sicht, aber die politische Entwicklung in den letzten 20 Jahren dürfte eine Bestätigung der objektiven Sicht sein, die E.H. schon Anfang der 90er Jahre hatte.

Erich stellte sich mit seiner Überzeugung gegen den Zeitgeist, der damals zu wuchern begann. Gegen jenen Ungeist, der auch heute noch herrscht, dem sich aber nun schon viele – wenn auch noch zu wenige – offensiv entgegenstellen.

Seine Haltung war klar und eindeutig, wenngleich sie damals von einer Mehrheit nicht geteilt wurde. So schrieb er in seinem Vorwort: »Man wird von mir keine Zeile finden, die der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft, deren Ideologie und ›Moral‹ Zugeständnisse macht.« Und weiter: »Sollten diesse Zeilen jemals veröffentlicht werden, dann für jene, die es mit der Analyse der Vergangenheit ernst meinen im Gegensatz zu den sogenannten Geschichtsbewältigern, denen es einzig und allein um die Hetze gegen den Sozialismus geht, um den unausweichlichen Niedergang des Kapitalismus noch möglich weit hinauszuschieben.«

Ich hoffe, dass unvoreingenommene Leser in den »Moabiter Notizen«, von deren Veröffentlichung Erich Honecker zwei Tage vor seinem Tode noch erfuhr, Antworten auf manche ihn bewegende Frage finden wird. Ob mit Zustimmung oder mit entgegenstehender Meinung – das ist wohl abhängig vom jeweiligen politischen Standpunkt.

Aus dem Vorwort von Margot Honecker zur Neuauflage von Erich Honeckers »Moabiter Notizen« (Edition Ost, 255 S., br., 14,95 €).