nd-aktuell.de / 18.02.2010 / Sport / Seite 18

»Silbermedaille ein Riesending«

Berliner Eisschnelllauf-Sprinterin Jenny Wolf verdrückte dennoch ein paar Tränen

Am deutschen Goldtag konnte ausgerechnet Seriensiegerin JENNY WOLF aus Berlin ihren erhofften Olympiasieg über 500 Meter im Eisschnelllauf nicht erreichen. Geschlagen von der Südkoreanerin Lee Sang-Hwa erzählte sie OLIVER HÄNDLER, dass sie sich trotzdem über Silber freuen kann und es in vier Jahren vielleicht doch noch mal probiert.

ND: Frau Wolf, das Eiskunstlaufpaar Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy wollte Gold und war trotz Bronze sehr unglücklich. Sie wollten auch den Olympiasieg und Ihr Trainer sagt, Sie hätten Gold verloren. Widersprechen Sie ihm?
Wolf: Ich finde schon, dass ich Silber gewonnen habe, auch wenn ich vielleicht noch ein paar Tränen verdrücken werde. Eine Olympiamedaille zu haben, ist aber ein Riesending. Ich bin einfach nur froh, dass es doch noch so gut ausgegangen ist. Vielleicht war ich noch nicht bereit für die Goldmedaille, weil mich der Gedanke, dass sie möglich war, doch sehr nervös gemacht hat.

Ihre Zeit im ersten Lauf war für Ihre Verhältnisse sehr langsam. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Nicht wirklich, denn meine Beine haben sich sehr stark angefühlt. Ich war selbstbewusst und dachte: Das ist der Tag, an dem alles funktioniert. Kurz vor dem Lauf habe ich irgendwie die Konzentration verloren.

Warum ging die Konzentration abhanden?
Ich merke, dass ich Fehlstarts meiner Gegnerin nicht gewohnt bin. Mein erster Start war wirklich gut, wurde aber leider zurückgepfiffen. Danach war ich nervös und konnte kaum ruhig stehen bleiben. Das muss man eigentlich können. Hinzukam, dass Wang Beixing (Bronzemedaillengewinnerin aus China, d.A.) keine starke Zeit vorlegen konnte, und es einen Sturz im Lauf direkt vor mir gab. Da fiel ein Stück Spannung ab. Ich war einfach mental nicht stark genug, um da aggressiv zu bleiben.

Haben Sie daraufhin im zweiten Lauf etwas an Ihrer Strategie verändert?
Zunächst ist erst einmal die Last abgefallen, und die Nervosität war weg. Ich war dann deutlich aggressiver und konnte zeigen, wie gut ich drauf war. Diesmal hatte ich Sang-Hwa ja auch vor mir und konnte an sie heranlaufen. Die Innenkurve war technisch gut, doch am Ende fehlte die Kraft, und sie konnte mich fast wieder einholen.

Wussten Sie gleich, dass es nicht gereicht hat, immerhin gewannen Sie den zweiten Lauf mit der schnellsten Zeit überhaupt?
Ja, ich habe auf der Ziellinie auf einmal ihren Fuß neben meinem gesehen. Da kann man ganz gut einschätzen, wie viel Zeitunterschied das ist. Trotzdem konnte ich mich freuen, denn das Publikum war bei dem spannenden Lauf ganz aus dem Häuschen.

Vor dem Rennen sprach alles vom Duell Wang gegen Wolf, obwohl Lee Sprintweltmeisterin ist. Sind Sie überrascht, dass die lachende Dritte nun Gold geholt hat?
Nein, Sang-Hwa hat schon gezeigt, dass sie wirklich stark ist, und ihre Bestzeit ist sehr dicht an unseren. Sie hat sich in diesem Jahr noch mal stark verbessert und ist offenbar nervlich stärker. Sie ist so jung und läuft einfach drauf los.

Hatte Lee den Vorteil, dass ihre männlichen Teamkollegen hier schon Gold und Silber holten?
So etwas kann auch für noch mehr Druck sorgen. Die Südkoreaner sind ein sehr starkes Team. Sang-Hwa trainiert mit den Männern und hat davon profitiert.

Werden Sie die 1000 Meter am Donnerstag noch laufen?
Ja, es ist so eine Superstimmung in der Halle. Das macht einen Riesenspaß hier. Da wäre man schön blöd, ein solches olympisches Ereignis einfach zu verschenken.