nd-aktuell.de / 19.02.2010 / Kultur / Seite 13

Gute Fahrt

Helene Hegemann

Martin Hatzius

Ist der Vergaser nicht geklaut, wenn ich ihn in mein Auto einbaue?«, fragt Josef Joffe spitzfindig in der aktuellen »Zeit«, die dem Phänomen Helene Hegemann und der Plagiatsdebatte um deren Buch »Axolotl Roadkill« drei ganze Seiten widmet. Der Ende Januar erschienene Debütroman der minderjährigen Autorin war von den Feuilletons gefeiert worden; erst als herauskam, dass sie einige Stellen davon fast wörtlich aus Werken Anderer entnommen hat, wandte sich das Blatt. Nachdem Hegemann sich zunächst entschuldigend für ihr Vorgehen gerechtfertigt hat – »Mir ist es völlig egal, woher Leute die Elemente ihrer ganzen Versuchsanordnungen nehmen, die Hauptsache ist, wohin sie sie tragen« – hüllt sie sich inzwischen in Schweigen. Einer ihrer rar gewordenen öffentlichen Auftritte findet heute in Berlin statt: die offizielle Buchpräsentation.

Um Joffes Metapher mit Hegemanns Statement abzugleichen: Wohin ein Auto fährt, entscheidet weder sein Konstrukteur noch der rechtmäßige Eigentümer seiner Einzelteile, sondern einzig sein Fahrer. Wenn es sich bei dem Fahrzeug um ein Buch handelt: der Leser, ich.

Das Vergaser-Bild hängt aber mächtig schief. In der Kfz-Produktion ist so ein Teil Massenware, zigtausendfach gefertigt in immer gleicher Weise, zu immer gleichem Nutzen. Wenn man so was klaut, ist das Diebstahl. Mit literarischen Zitaten verhält es sich freilich anders: Wären sie Massenware, nicht Unikate, wer wollte sich an ihrer Verwendung stören? Wo Hegemann sich bedient hat, fehlt ja gar nichts: Sämtliche von ihr entlehnte Sätze aus Airens Roman »Strobo« stehen immer noch in dessen Buch. Bleibt man im Vergaser-Bild, hat sie das Ding nicht entwendet, sondern allenfalls recht originalgetreu nachgebaut.

Zu welchem Zweck? Um ein in seiner ganzen mosaikhaften Originalität einzigartiges Vehikel zu konstruieren, das den – allerdings erst in der nächsten Auflage beim Namen genannten – Zulieferern seiner Teile ebenso huldigt, wie es den Benutzern die Entscheidung freistellt, wohin es sie trägt. Durch die Plagiatsdebatte sind viele Wege verstellt worden. Das ist schade.

Mit Führerschein und ohne besserwisserische Sozii fahren – Helene Hegemann ist das zu gönnen. In diesem Sinne gratulieren wir ihr zum heutigen 18. Geburtstag.