nd-aktuell.de / 20.02.2010 / Kultur / Seite 20

Plagiat

Der Literaturbetrieb wird von einem Plagiatsskandal erschüttert oder genauer gesagt belebt. Das umjubelte Romandebüt einer Siebzehnjährigen ist größtenteils aus dem Internet und von Filmen abgeschrieben. So geht es nicht, hätte man bisher gesagt, aber mittlerweile ist man weiter und sieht die Sache differenzierter. Die Achtzehnjährige hat genau das geliefert, worauf die Branche seit Charlotte Roches »Feuchtgebiete« gewartet hatte, so eine Art Feuchtgebiete noch feuchter, geradezu eine großstädtische Nasszelle, genau so, wie sich das Feuilleton vorstellt, wie es zugeht da draußen unter den jungen Menschen, die sich nicht um die Zwänge scheren, die in Redaktionsstuben herrschen, und Wörter verwenden, die sich die Kulturredakteure genau merken und bei passender Gelegenheit selbst abfeiern.

Die literarische Leistung der Abschriftstellerin wird unterschiedlich bewertet, manche sagen, wenigstens sind ihre achtzehn Jahre echt, andere meinen, man sollte doch froh sein, wenn junge Menschen lesen und abschreiben können. Die Forderung nach Schöpfertum ist veraltet, heutzutage ist bereits alles geschöpft, es geht nur noch um die Auswahl, und genau das hat die Verfasserin hervorragend geleistet. Niemand erwartet von einem Autor, all das, was er beschreibt, erst selbst zu erleben; Shakespeare war auch nie in Verona. Zudem ist der Erlebnishorizont begrenzt, Originalität kann eigentlich gar nicht authentisch sein. Und es ist doch eine Kunst, aus der Fülle der Literatur die geeigneten Stellen herauszufinden, die einen neuen Roman ergeben können. So sieht interaktives Konsumieren aus. Die Verlagsbranche hat erkannt, dass in dieser Angelegenheit ein Zeichen für den sich vollziehenden Wandel zu sehen ist.

Ein Buch, das lediglich auf eigenen Erfahrungen oder Fantasien basiert, muss als trivial bis unzulänglich gelten, weil eine veraltete Methode angewandt wurde, um geringwertigen Stoff zu verarbeiten, jedenfalls so lange, bis ein Literaturrebell es wagt, sich dem System des Abschreibens zu entziehen, und damit einen unerwarteten Verkaufserfolg landet.