Streiks wie bei der Lufthansa könnten in der Luftfahrtbranche in nächster Zeit deutlich zunehmen: Die Airlines setzen angesichts ihrer schweren Krise derzeit auf massive Kostensenkung.
Hinter der Luftfahrtbranche liegt ein »Annus horribilis« (schreckliches Jahr), wie es der Generaldirektor der Internationalen Luftfahrtvereinigung (IATA), Giovanni Bisignani, ausdrückt. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sanken die Passagierzahlen um 3,5 Prozent, die Nachfrage im Frachtgeschäft brach sogar um 10,1 Prozent ein. Besonders besorgniserregend für die Konzernchefs war die Auslastung: Einer von vier Sitzplätzen blieb unbesetzt, Frachtflieger flogen im Schnitt halb leer um den Globus.
Das schlechteste Jahr seit Ende des Zweiten Weltkriegs machte sich natürlich auch in den Bilanzen bemerkbar. Die Verluste der 230 IATA-Mitgliedergesellschaften kletterten auf rund acht Milliarden Euro. Da seit Jahren rote Zahlen geschrieben werden, ist der Schuldenberg der Airlines stark gewachsen. Beobachter warnen bereits davor, die Branche könnte in eine eigene Finanzkrise schlittern.
Wie in der Konzernwelt üblich, lautet das Zauberwort: Kostensenkung. Viele Airlines haben einen Teil ihrer Flotte vorübergehend eingemottet. Unternehmen, die es sich leisten können, ordern die von Herstellern angekündigten spritsparenden Jets. Längst gekürzt wurde beim Service, aber auch an den Lohnkosten. Und ein Flugzeug mit mehr Sitzen fliegt natürlich profitabler. Doch angesichts enger Sitzplätze sind die Spielräume hierbei wohl ausgereizt. Und nicht alles ist durchsetzbar: Der Versuch von Air France/KLM, von stark übergewichtigen Passagieren den doppelten Preis zu kassieren, scheiterte an Protesten der Kundschaft.
Bisherige Kostenreduzierungen konnten indes nicht einmal die Preissenkungen wettmachen, mit denen die Airlines auf den zunehmenden Konkurrenzdruck reagierten. Hauptproblem der Branche sind nämlich massive Überkapazitäten weltweit. Auf Grundlage völlig überzogener Wachstumserwartungen waren die Kapazitäten in den Vorjahren massiv ausgebaut worden. Neue Unternehmen insbesondere im Billigflugsegment tauchten auf, recht junge Airlines – insbesondere im Mittleren Osten – setzten auf massive Expansion auch auf den klassischen Märkten in den Industrieländern.
Einige große Airlines wie die Lufthansa setzen deshalb auf einen Konzentrationsprozess, der über die Bildung großer Allianzen hinausgeht. Zahlreiche kleine Airlines werden verschwinden oder eben geschluckt. Die Branchenlobby fordert zudem eine stärkere Deregulierung. Staaten sollten ihre nationalen Gesellschaften nicht länger durchfüttern und auch die Streckenvergabe liberaler gestalten. Doch eine solche Strategie würde mit dem Bedürfnis der Passagiere nach hohen Sicherheitsstandards ebenso kollidieren wie dem der Beschäftigten nach guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen. Streiks wie jetzt bei der Lufthansa dürften zunehmen.
Weitgehend ignoriert werden derweil Umweltaspekte. Das Ende des Ölzeitalters naht, und die Preise für Treibstoff, die bereits rund ein Viertel der Betriebskosten ausmachen, werden eher noch steigen. Im Zuge des Kampfs gegen den Klimawandel – der Flugverkehr zählt zu den wenigen CO2-Hauptemittenten mit massiv gestiegenem Ausstoß im vergangenen Jahrzehnt – will zumindest die EU für die Branche einen Emissionshandel einführen, der die Flugpreise verteuern würde.
Eine Rückkehr zu alten Boomerwartungen ist daher unrealistisch. Und da innovative Geschäftsmodelle fehlen, wird auch für 2010 trotz wieder steigender Passagierzahlen ein fettes Milliardenminus prognostiziert. Oder wie IATA-Chef Bisignani es ausdrückt: »ein spartanisches Jahr«.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/165707.mit-dem-rotstift-gegen-die-luftfahrtkrise.html