nd-aktuell.de / 03.03.2010 / Politik / Seite 6

Die Visionen von »El Pepe«

José Mujica als neuer Präsident Uruguays ins Amt eingeschworen

Stefan Thimmel, Montevideo
Der ehemalige Staatsfeind ist Präsident Uruguays. Seinem Stil getreu ohne Krawatte und im offenen weißen Hemd wurde der 74-jährige José »Pepe« Mujica ins Amt eingeschworen.

Mujica hatte in den 60er Jahren die bewaffnete Stadtguerilla Tupamaros mitbegründet und 1973 bis 1985 unter der Militärdiktatur als Geisel des Staates in Isolationshaft im Kerker gesessen. Ins Amt eingeschworen wurde er im uruguayischen Parlament von seiner Frau und jahrzehntelangen Kampfgefährtin Lucía Topolansky, die heute die linke Mehrheit im Senat des Parlaments führt.

In Anwesenheit vieler lateinamerikanischer Staatschefs, darunter Hugo Chavéz, Cristina Fernández de Kirchner, Luiz Inácio Lula da Silva, Rafael Correa, Evo Morales und Fernando Lugo skizzierte er vor dem Parlament, in dem in beiden Kammern das Mitte-Links-Bündnis Frente Amplio die Mehrheit stellt, die vier Schwerpunkte seiner fünfjährigen Amtszeit. Bildung, Energie, Umwelt und Sicherheit sind die Bereiche, denen Mujica sich hauptsächlich widmen will. Besonders Bildung und Erziehung sind Herzensangelegenheiten des ungelernten Blumenzüchters, der zuletzt als Landwirtschaftsminister in der ersten Linksregierung des Landes unter dem scheidenden Präsidenten Tabaré Vázquez diente und der in den vergangenen zwei Jahren das von den ehemaligen Tupamaros dominierte Bündnis »Bewegung für die Beteiligung des Volkes« als Senator im Parlament vertrat. »Alle Regierenden müssten jeden Morgen, wie früher in der Schule, hundertmal schreiben: Bildung, Bildung, Bildung«, appellierte der Präsident. Zudem will er den Staatsapparat reformieren. Keine leichte Aufgabe, erst recht nicht im bürokratischen Uruguay.

Über allem aber steht für Mujica die Ausrottung der Armut, unter der trotz Verbesserung der sozialen Situation in den vergangenen fünf Jahren unter der Regierung Vázquez immer noch rund 20 Prozent der 3,4 Millionen Uruguayer leiden. Integration ist dabei sowohl nach innen wie nach außen sein wichtiges Stichwort. Und schon bei der Übergabe der Präsidentschaft demonstrierte der scharfzüngige und volksnahe Mujica, dass es ihm damit ernst ist. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes fand die Zeremonie unter freiem Himmel statt. Zehntausende waren vor dem Denkmal des Nationalhelden José Artigas unmittelbare Zeugen.

Und während der neue Präsident Mujica in seiner Rede vor dem Parlament eher nüchtern und schon sehr präsidial die wichtigsten Vorhaben seiner Amtszeit beschrieben hatte, war es bei strahlendem Sonnenschein »El Pepe«, der mit klaren, einfachen Worten seine Visionen beschrieb. So die Einheit des Kontinentes: Die lateinamerikanische Integration gewinnt mit dem ehemaligen Stadtguerillero einen leidenschaftlichen Verfechter. Chávez, Morales, Lula und Co. wird das gefreut haben, die etwas überraschend ebenfalls bei der Amtseinführung anwesende US-Außenministerin Hillary Clinton womöglich etwas weniger.