Sterne im Teilchenbild

Astroteilchenphysiker trafen sich in Zeuthen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Astronomen waren über Jahrhunderte ziemlich »farbenblind«. Denn von all den Strahlen, die Informationen von fernen Sternen und Galaxien zu uns bringen, konnte man bis weit ins 20. Jahrhundert nur das für Menschen sichtbare Licht beobachten. Neue »Farben« kamen erst hinzu mit der kosmischen Strahlung und der Entwicklung von Radioteleskopen Mitte des 20. Jahrhunderts. Die kosmischen Strahlen, wegen ihrer Entdeckung bei Ballonflügen anfangs auch Höhenstrahlen genannt, waren anfangs allerdings weniger ein Thema für Astronomen, sondern für Elementarteilchenphysiker. In der kosmischen Strahlung wurde ab den 30er Jahren eine große Zahl bis dahin unbekannter Teilchen entdeckt: das erste Antiteilchen, das Positron, aber auch das Myon sowie das Pion als erster Vertreter der großen Familie der sogenannten Mesonen. Doch nachdem seit den 50er Jahren die immer größer werdenden Teilchenbeschleuniger die Physiker unabhängig vom Angebot der Natur machten, beschäftigten die sich immer weniger mit der kosmischen Strahlung.

Erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts nahm das Interesse wieder zu. Diesmal waren es vor allem die Astronomen. Eine Tagung am Zeuthener Standort der Großforschungseinrichtung DESY versammelte Ende Februar die deutschen Astroteilchenphysiker, um Stand und Perspektiven dieser exotischen Sparte der Astronomie zu beleuchten. Dank wesentlich weiterentwickelter Technik, so das Resümee von Christian Spiering vom gastgebenden Zeuthener Institut, seien in den nächsten fünf Jahren einige Durchbrüche zu erwarten. So nimmt im nächsten Jahr mit dem IceCube-Detektor das bislang größte Neutrinoteleskop seinen Dienst in der Antarktis auf. Zudem sind deutsche Forscher heute führend an weiteren Großprojekten der Astroteilchenphysik beteiligt, wie etwa dem Pierre-Auger-Observatorium für kosmische Strahlen in Argentinien oder den Gammastrahlen-Teleskopen H.E.S.S. in Namibia und MAGIC auf den kanarischen Inseln.

Eine der Fragen, auf die Spiering in dieser Zeit eine Antwort erwartet, ist die nach der Zusammensetzung der sogenannten Dunklen Materie. Bislang behelfen sich die Physiker für deren Beschreibung mit einem hypothetischen Teilchen: Das Kunstwort WIMP steht für die englische Abkürzung eines schwach wechselwirkenden massereichen Teilchens. Die einige Zeit als Kandidaten gehandelten Neutrinos besitzen zwar eine Masse, aber nicht genug, um die Dunkle Materie zu erklären, konstatiert Spiering. Bei der Suche blicken die Astroteilchenphysiker auch gespannt nach Genf. Der nach anfänglichen Defekten wieder in Betrieb genommene Großbeschleuniger LHC könnte Hinweise liefern, wie die Elementarteilchen der dunklen Materie aussehen müssen, meint Johannes Blümer vom Karlsruhe Institute of Technology.

Geradezu revolutionär entwickelte sich in den letzten 20 Jahren die Gammastrahlen-Astronomie. Kannte man 1989 gerade mal eine Gamma-Quelle am Himmel und 2003 zwölf, so sind es inzwischen mehr als 100. Ebenso wie in den Neutrino-Detektoren wirkt sich hier die hohe Empfindlichkeit von Lichtsensoren, sogenannten Photomultipliern, aus, die Lichtblitze im Nanosekundenbereich registrieren können. Denn die Gammastrahlen kommen selbst gar nicht bis zum Teleskop. Sie werden bereits in der Atmosphäre absorbiert. Beim Zusammenstoß mit den Teilchen der Luft kommt es zu kurzen Lichtblitzen, der sogenannten Tscherenkow-Strahlung. Und die Abfolge dieser Lichtblitze fangen die Teleskope mit mehreren großen Spiegeln ein. Das größte Problem dabei ist, die Signale, die von Gammastrahlen ausgelöst werden, von jenen zu trennen, die aus Stößen von Kernteilchen stammen.

Den spektakulärsten Durchbruch erwarten die Forscher jedoch auf dem Gebiet der Gravitationswellenastronomie. Bis 2015 hoffen sie auf die erste direkte Messung von Gravitationswellen. Damit würde ein weiteres Fenster zum Universum geöffnet.

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