Der Preis

Margit Bendokat

  • Lesedauer: 2 Min.

Margit Bendokat erhält den Theaterpreis Berlin 1010. Seit 1965 ist sie am Deutschen Theater engagiert, und auch sie trägt den so schönen Gedanken: Was alles mal war an Regie, an Konzept, an Ereignis – es wird letztlich am stärksten von Schauspielern weitergetragen in die Kraft der Erinnerung.

Margit Bendokat (Foto: dpa) ist Dresen-Zeit und Gosch-Zeit, Castorf-Zeit und Müller-Zeit. Jetzt vor allem Gotscheff-Zeit. Spätestens seit ihrem Dienstmädchen »Pauline« (1976, Regie: Alexander Lang) ist sie in der Welt: diese vertrackte Aufsässigkeit, diese Polarität zwischen schreikräftigem Überspanntsein und instinktiver Bodenständigkeit; dieser Rhythmus einer schnoddrig harten, fast ins Rezitative schwingenden Sprache. Die auf den Nerv zielt, nicht nur aufs Ohr; die dem Messer näher ist als der Blume, durch die einer säuseln mag. Man kann sich vorstellen, griechische Chöre hätten diesen Ton gehabt. Deshalb ist sie auch Schleef-Zeit gewesen. Die Revolutionärin Marja Spiridonowna in Schleefs »Verlorenem Volk«. Ein monologischer Halbstundentext, von der Bendokat gleichsam durchwühlt, durchpeitscht, monoton hochgezogen, als sei der Rote Oktober eine Dichtung Homers.

Das Klageweibliche hat in dieser Frau eine Stimme, einen skurril kämpferischen Charakter gefunden. Sie greift ein Wort aus einem Satz heraus, als sei es ein ganzes Lebewesen, und kichernd wird draus ein Clownswort, raunend ein Zauberwort, brüllend ein Schreckenswort. Es kann Momente geben, da stehen Wort und Körper zunächst wie zwei Fremde nebeneinander, und erst mit unnachahmlicher Verzögerung stürzen beide ineinander.

Wo die Bendokat auftritt, ist irgendein Entsetzen nicht weit, ein gewisser Horror ist anwesend, von dem man nicht weiß, woher er kommt, wohin er ausschlägt, in welche Stille er sich rammt. Sie spielte kaum Titel- oder Hauptrollen, wurde aber eine Hauptspielerin, und ist es mit den Zeiten noch prägender geworden. Ihr Platz: wo die Zwillinge Komik und Tragik das Ihre behaupten: immer im Herz des jeweils anderen.

Hans-Dieter Schütt

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