Trümmer

Anselm Kiefer 65

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer sprengt Räume. Die Kunst des seit Jahren in Frankreich lebenden Deutschen betreibt Aufstapelungen, Hochwuchtungen und Zusammenballungen vielfältigen Materials; Holz und Blech, Textilien und Kohle – Bilder gewalttätiger Menschennatur, die der Natur ausgesetzt bleiben:Verwitterung als Teil der Kunst; das fertige Gemälde, die freigegebene Installation als dauernder Schöpfungsort, an dem Wärme, Kälte, Luft, Wasser ihr klebendes, weichendes, härtendes, bleichendes, rostendes, faulendes Werk tun.

Vor zwei Jahren bekam Kiefer, geboren 1945 in Donaueschingen, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. In der langen Reihe der Ausgezeichneten

– der Preis wird seit 1950 vergeben – der erste bildende Künstler. Sein Werk: Beutestücke, die er gleichsam aus deutschem und teutschem Unterbewusstsein reißt. Die Titel der Werke erzählen es: »Deutschlands Geisteshelden« oder »Malerei der verbrannten Erde« oder »Ritt an die Weichsel« oder »Unternehmen Seelöwe«. Der Schüler von Joseph Beuys war Ende der sechziger Jahre mit seinen »Besetzungen« aufgefallen. Mit erhobenem rechtem Arm posierte er vor geschichtsträchtigen Monumenten in Frankreich und Italien.

In all seinem Zerbrochenen, Geborstenen, Ruinösen, in all den Erdbrocken, Glasfetzen, Mohnkapseln, Patinaflächen, Holzsplittern, Stoffresten, in allem verölten Blut und rissigen Stein klingt das Lied der Neubesinnung. Die Stunde Null gibt es für ihn niemals und nirgends, immer trägt jede Fülle nicht nur die Leere in sich, sondern jede Leere ist immer auch ihr Gegenteil. Geschichtsstunde in schwerer, dunkler Poesie, die den Menschen in Dunkel und Schmerz doch bejaht: Der hält Dunkel und Schmerz aus. »Trümmer sind nicht nur Ende, sondern auch Anfang«, sagt der Künstler.

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