Streit um Knöterich wuchert weiter

Wotan-Gruppe möchte Pelletierwerk mit der Pflanze beschicken / Bauernverband fürchtet um Jobs

Die Einführung erneuerbarer Energien sieht Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) als eine neue Industrialisierung Brandenburgs. Das Problem sei weniger die technische Machbarkeit, sondern vielmehr die Akzeptanz in der Bevölkerung. Ob ein Windrad aufgestellt, eine Solaranlage installiert oder die Erdwärme genutzt werden soll – »überall haben wir Bürgerinitiativen dafür und dagegen«. Inzwischen werden auf vielen Äckern Energiepflanzen angebaut. Ihr einziger Zweck besteht darin, verfeuert zu werden. Hier stehe die Frage, ob der traditionellen Landwirtschaft dadurch eine Konkurrenz um die Flächen erwachse, schildert der Wirtschaftsminister den Konflikt.

Beispiel Herzberg im Kreis Elbe-Elster: In einem Gewerbegebiet der Stadt errichtet die Wotan-Gruppe ein Pelletierwerk. Zu Holzpellets verarbeitet werden soll eine Zuchtform des japanischen Knöterichs, der im Umkreis von 200 Kilometern gepflanzt werden soll. Das Unternehmen möchte dafür Flächen pachten oder vielleicht auch kaufen. Derweil gebe es in der Region jemanden, der enorme Flächen pachte. Er biete statt der üblichen 100 Euro Pacht je Hektar und Jahr bis zu 400 Euro, erfuhr die Landtagsabgeordnete Carolin Steinmetzer-Mann (LINKE) von Landwirten aus der Region. Wer dahinter steckt, konnte sie nicht herausfinden. Die Bauern, die Land verpachteten, rückten damit nicht heraus. Die Abgeordnete vermutet, dass die Wotan-Gruppe verantwortlich ist.

35 Beschäftigte sollen 120 000 Pellets pro Jahr produzieren, verkündete Stephan Haack, Geschäftsführer der Wotan Fünfte Betriebs GmbH & Co. KG. Zwar sei es auch möglich, die Fabrik mit Holz von Kiefer, Fichte oder Tanne zu beschicken. Der Clou bei dem schnell wachsenden Knöterich ist jedoch, dass bei ihm eine Fläche von 4000 Hektar genügt, während man bei Kiefern 12 000 Hektar benötigen würde. Rechne man zehn Energieberater, einen Ausbilder und andere Leute hinzu, so werden sogar 55 Jobs geschaffen, verspricht die Wotan-Gruppe.

Doch Kreisbauernchef Kurt Tranze fürchtet, dass wegen des Knöterichs im Agrarsektor mehr Arbeitsplätze verloren gehen als durch die Fabrik entstehen. Außerdem ängstigt ihn der Gedanke, dass sich der japanische Knöterich unkontrolliert ausbreiten könnte. Kleingärtner kennen die mit Knöterich verbundenen Schwierigkeiten. Wenn der Nachbar eine Knöterichhecke besitzt, ist es mit Beeten am Rande der Parzelle Essig. Die Wurzeln breiten sich aus. An Umgraben ist nicht mehr zu denken. Außerdem wird man Knöterich nur äußerst schwer wieder los, wenn er einmal da ist. Genau deswegen wurde in der Berliner Kleingartenkolonie Bornholm II Knöterich untersagt.

Zwar beschwichtigt die Wotan-Gruppe, die vorgesehene Zuchtform sei nicht aggressiv und sie eigne sich für arme Böden, auf denen kaum etwas anderes gedeiht. Die Gegner der Pflanzung bleiben jedoch skeptisch.

Das Herzberger Problem liegt im wahrsten Sinne des Wortes tief. »Die Wurzeln dieses japanischen Knöterichs sollen bis zu sieben Meter in die Erde dringen«, erzählt die Landtagsabgeordnete Steinmetzer-Mann. Mit einmal Pflügen wäre es da längst nicht getan. Die Umweltexpertin tritt im Prinzip für erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe ein. Im konkreten Fall befürchtet sie jedoch ökologische Schäden. Dass in Elbe-Elster japanischer Knöterich auf den Feldern gepflanzt wird, möchte sie nicht. »Wenn das die Bedingung für die Fabrik ist, dann bin ich gegen die Fabrik.«

Das Wirtschaftsministerium jedenfalls knüpft eine mögliche Gewährung von Fördermitteln nicht an eine solche Bedingung. In Aussicht gestellt hat es tatsächlich schon vor geraumer Zeit eine finanzielle Unterstützung für ein Pelletierwerk, das Knöterich verarbeitet. Zwingende Voraussetzung sei die Verwendung von Knöterich jedoch keineswegs. Kiefer, Fichte oder Tanne wären ebenfalls möglich. Verbindlich zugesagt wurden die Fördergelder nicht, betont das Wirtschaftsministerium. Entschieden wurde in der Sache offensichtlich noch nicht.

Eigentlich sollte das Werk längst fertig sein. Doch der Bau verzögerte sich – womöglich auch wegen der ausbleibenden Fördermittel. Insgesamt waren 36 Millionen Euro für die Investition veranschlagt. Nähere Auskünfte waren von der Wotan-Gruppe trotz mehrerer Anfragen nicht zu erhalten.

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