nd-aktuell.de / 13.03.2010 / Wissen / Seite 23

Rammt Apophis die Erde?

Astronomen suchen nach Himmelskörpern auf Kollisionskurs

Dieter B. Herrmann

In jüngster Zeit sind etliche mehr oder weniger große kosmische Körper in vergleichsweise geringem Abstand an der Erde vorbei geschrammt. Das hat die Diskussion um Gefahren aus dem All wieder neu entfacht, denn nicht immer fliegen die kosmischen Geschosse einfach nur vorbei. Manchmal treffen sie auch. Ihre Spuren sind überall im Sonnensystem zu finden: Die Oberflächen von Merkur, Mond und Mars, ja selbst von Kleinstkörpern wie Asteroiden sind kraterübersät. Auch unsere Erde ist von solchen Kollisionen nicht verschont geblieben, wovon zahlreiche z. T. inzwischen schon verwitterte Krater zeugen. Einige große Einschläge hatten dramatische Folgen. Soeben hat eine Studie internationaler Experten mit neuen Argumenten und Befunden bestätigt, dass der Einschlag eines 15 Kilometer großen Körpers vor 65 Millionen Jahren das Aussterben der Dinosaurier wie auch zahlreicher anderer Tier- und Pflanzenarten herbeigeführt und der biologischen Evolution eine neue Richtung gegeben hat.

In unserem Sonnensystem wimmelt es nur so von Asteroiden (Kleinplaneten) und Kometen. Dabei handelt es sich gleichsam um Relikte aus solarer Urmaterie, und wir sind weit davon entfernt, sie alle zu kennen. Die meisten dieser Körper bewegen sich zwar innerhalb eines Gürtels zwischen Mars- und Jupiterbahn oder weit draußen im Kuiper-Gürtel des Sonnensystems. Ihre Zahl kann man nur schätzen, sie dürfte in die Millionen gehen. Doch ein Teil dieser Objekte kreuzt die Erdbahn und kann unserem Planeten damit durchaus gefährlich werden. Gegenwärtig kennt man etwa 600 solcher »Near Earth Objects«, doch es werden ständig mehr entdeckt. Die kleineren unter ihnen würden zwar im Kollisionsfall nicht die gesamte Zivilisation auslöschen, könnten aber doch viel Schaden anrichten. Glücklicherweise besagt die Statistik: Je größer die Brocken, um so seltener sind sie. So ist mit dem Einschlag eines Körpers von 1000 Metern Durchmesser nur alle 100 000 Jahre zu rechnen, mit einem Geschoss von mehr als 6000 Metern Durchmesser gar nur alle 100 Millionen Jahre. Doch wann ist diese Zeitspanne vorüber? In 1000 Jahren oder vielleicht schon in wenigen Wochen?

Der sicherste Weg, die Risiken realistisch einzuschätzen, besteht in der systematischen Suche nach solchen Kleinkörpern und der Erforschung ihrer Bahnen. Das geschieht seit Jahrzehnten im Rahmen verschiedener Programme. Doch das ursprüngliche Ziel, alle Erdbahnkreuzer bis zum Jahre 2008 zu erfassen, wurde weit verfehlt. Noch heute kann es geschehen, dass ein ziemlich großer Brocken an der Erde vorüber saust, von dem niemand zuvor etwas bemerkt hatte. Die Programme zur Erfassung aller erdbahnkreuzenden Kleinkörper werden deshalb ausgebaut, wobei zunehmend größere Teleskope, aber auch weltraumgestützte Beobachtungsinstrumente zum Einsatz kommen. So sucht z.B. der US-amerikanische Wide Field Infrared Spacecraft Survey Explorer (WISE) seit Januar 2010 nach Asteroiden und war auch gleich erfolgreich. Er fand nämlich einen bislang unbekannten 1000 Meter großen Brocken, der allerdings nicht auf die Erde zusteuert.

Und was kann man tun, wenn ein Asteroid oder Komet entdeckt wird, der sich auf direktem Kollisionskurs zur Erde befindet? Der gegenwärtig bekannteste von ihnen heißt nach dem altägyptischen Gott des Chaos Apophis und wurde erst im Sommer 2004 entdeckt. Erste Bahnberechnungen des 270-Meter-Brockens mit etwa 70 Millionen Tonnen Masse führten zu der Schreckensnachricht, dass er im Jahre 2029 der Erde bis auf 30 000 Kilometer nahe komme und diese sieben Jahre später treffe. Die dabei umgesetzte Energie würde etwa der von 3000 Hiroshima-Bomben entsprechen, hieß es.

Inzwischen wird die Wahrscheinlichkeit einer Kollision deutlich geringer eingestuft. Das mag den Laien verwundern, gilt doch die Himmelsmechanik als eine höchst zuverlässige Disziplin. Jedoch unterliegen solche vergleichsweise winzigen Körper bei ihrer Bewegung zahlreichen Störgrößen, die ihre Bahn andauernd verändern. Ihre Bewegung erfolgt unter dem Einfluss der Anziehungskräfte zahlreicher anderer Körper, keineswegs nur der großen Planeten. Schon die Sonneneinstrahlung kann zu Bahnveränderungen führen. Doch gerade sie variiert mit der Distanz zur Sonne, aber auch unter dem Einfluss der Rotation des Körpers. Insofern ist die weitere Entwicklung der Bahn von Apophis immer noch unsicher, auch wenn die neueren Daten auf eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Kollision hindeuten.

Dessen ungeachtet wollen sich Vertreter von NASA und ESA sowie aus Russland und China demnächst zu Beratungen treffen. Die russische Behörde Roskosmos denkt über die gezielte Kollision eines Raumflugkörpers mit Apophis als endgültige Gefahrenabwehr nach. Auch die ESA diskutiert über eine Mission »Don Quijote«: Zwei Sonden (»Hidalgo« und »Sancho«) sollen separat gestartet werden, Sancho zur Untersuchung von Apophis, Hidalgo als Impaktor, der die Bahn des Asteroiden verändern soll. Selbst wenn es hierbei nicht um eine akute Gefahrenabwehr geht, könnten doch wichtige Erkenntnisse über die Möglichkeit der Bahnveränderungen von Kleinkörpern gewonnen werden.

Das Thema wird sicherlich international auf der Tagesordnung bleiben. Denn die Möglichkeit verheerender Treffer aus dem All ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn gegenwärtig keine akuten Gefahren bestehen. Das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin ist mit internationalen Partnern dabei, wenn es gilt, die Gefahren exakter kennenzulernen, um sie dadurch schließlich auch zielsicher zu bannen.