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Salzstock-Trickserei geht weiter

Atomkraftgegner kündigen Gegenwehr auf der Straße und vor Gericht an

  • Reimar Paul, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Anti-Atomkraft-Bewegung will die Gorleben-Plänen von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bekämpfen. »Wir werden die Auseinandersetzung vor die Gerichte und auf die Straße tragen«, kündigte die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg gestern an.

Die juristische und politische Gegenwehr werde Röttgens Vorhaben, den Salzstock Gorleben weiter zu untersuchen und dort ein Endlager zu bauen, »mit Sicherheit kippen«. Dass die Bundesregierung bei der Endlagersuche weiter auf die Karte Gorleben setze, habe die Umweltschützer nicht weiter überrascht, sagte der BI-Vorsitzende Gerhard Harder. Überraschend und empörend sei aber, »dass Röttgen an den Geist der 70er Jahre anknüpft und den uralten Rahmenbetriebsplan reanimiert und dabei noch glaubt, Kritiker und Gegner des Projekts mit einigen Mitsprachefloskeln einbinden zu können«.

Der Rahmenbetriebsplan datiert von 1983. Er sieht weniger Anforderungen vor als das inzwischen reformierte Bergrecht. So müsste ein neuer Antrag eine Umweltverträglichkeitsprüfung beinhalten. Das noch strengere Atomrecht käme erst bei Bau des Endlagers zur Anwendung.

Die Auswahl von Gorleben als Standort war nach Ansicht der BI von Beginn an eine Geschichte von »Tricksereien, Mobbing und Manipulationen«. Um das zu erhärten, präsentierten die Gorleben-Gegner gestern eine CD mit Dokumenten aus vergangenen Jahrzehnten. Neben bekannten Belegen, dass Gorleben Ende der 1970er Jahre keineswegs aus wissenschaftlichen Gründen, sondern aus politischem Kalkül ausgewählt wurde, finden sich Hinweise, dass sich die Bundesregierung noch 1981 für vergleichende Untersuchungen anderer Standorte aussprach, weil die Bohrergebnisse in Gorleben Zweifel an der Eignung des Salzstocks nahe legten. Ausführlich dokumentiert wird auch, wie die damals federführende Physikalisch-Technische Bundesanstalt 1983 auf Druck von Bundesministerien ein zunächst kritisches Gorleben-Gutachten mehrmals umschreiben und entschärfen musste. Die BI bezeichnete es als »groben Unfug«, in Gorleben von einer Erkundung zu sprechen. Untertage sei bereits einer der späteren Einlagerungsbereiche aufgefahren worden, insgesamt neun Kammern sollten dem Rahmenbetriebsplan zufolge noch gebaut werden.

»Das ist doch längst der Ausbau des Endlagers«, sagte Ehmke. »Bei einer reinen Erkundung geht man in die Flanke.« Auf der CD findet sich dazu eine interne Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), das diesen Verdacht erhärtet. Behördenchef Wolfram König bezifferte die Kosten für die reine Erkundung eines Endlagerstandortes auf 300 bis 500 Millionen Euro. In Gorleben wurden nach Angaben der Bundesregierung bis heute aber mehr als 1,5 Milliarden Euro verbuddelt. Abzüglich der Kosten für den so genannten Offenhaltungsbetrieb seit Beginn des Moratoriums seien rund 700 Millionen Euro für den Bau eines Endlagers ausgegeben worden, rechnete Ehmke vor.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland bezeichnete die Ankündigung des Umweltministers als »reine Zeit- und Geldverschwendung«. Der drohende Einsturz des Salzbergwerks Asse bei Wolfenbüttel zeige, dass schnellstmöglich an anderen Standorten und in anderen geologischen Formationen nach Möglichkeiten zur Atommüllentsorgung gesucht werden müsse.

Die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Niedersachsen, Petra Emmerich-Kopatsch, bezeichnete die Ankündigung Röttgens als »Vorbereitungstat für die geplante Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken«. Nach Ansicht der LINKEN im Landtag will Röttgen die alten Betriebspläne verlängern, »um die mittlerweile gültigen schärferen Bestimmungen im Genehmigungsrecht zu umgehen«.

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