Ein Leben in Requisiten

Kleinkunst-Veteran Ingo Insterburg steckt mitten in der Abschiedstournee

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Simone Andrea Mayer, dpa

Ingo Insterburg lebt in einem Requisitenraum. Kostüme hängen am Garderobenständer neben der Winterjacke. Instrumente, Notenblätter, Schaumstofffiguren, Hüte, Schals, Masken liegen umher. Über 120 Fotos, Plakate und Zeitungsausschnitte pflastern die Wände. Auf einem Schrank liegt Insterburgs berühmte Krone, die der Blödel-Barde gerne auf seinen Konzertplakaten trägt. Seine Fünf-Zimmer-Wohnung im noblen Berliner Stadtteil Grunewald ist eine Abstellkammer vergangener Bühnenträume. Inmitten dessen bereitet sich Insterburg nicht nur auf die Fortsetzung seiner Abschiedstournee im April vor, er wohnt hier auch.

Seit 52 Jahren steht der 75-Jährige auf der Bühne. Erst begleitete er seinen WG-Mitbewohner, den inzwischen verstorbenen Schauspieler Klaus Kinski. Ende der 60er Jahre gründete er gemeinsam mit Comedian Karl Dall, dem Schauspieler Jürgen Barz und dem Autor Peter Ehlebracht die Band Insterburg & Co. Sie brachten einen neuen Typ von Unterhaltung auf die Bühne, der Vorbild für Comedians wie Otto und Mike Krüger war: Blödel-Musik und Parodien für den einfachen Humor. Ihr bekanntestes Lied war das von Insterburg vorgetragene »Ich liebte ein Mädchen aus...«. Noch heute parodieren unzählige Fans den Endlosreim in Youtube-Videos.

Seit zwei Jahren ist Insterburg wieder unterwegs, zwei weitere Jahre will er noch zum Abschied seiner Bühnenkarriere touren. Dann, mit 77 Jahren, soll Schluss sein, sagte er der dpa bei einem Interview. »Ein Spaziergang ist anstrengender als ein 20-Minuten-Programm. Aber zweieinhalb Stunden auf der Bühne zu stehen, schaffe ich bald nicht mehr.«

Eigentlich wollte er sich zu Hause drei Monate Pause von der Bühne gönnen. Aber der ewige Barde hat weitergearbeitet. Er hat viele Gedichte geschrieben. Unzählige kleine mit Filzstift bemalte Zettel und Papierfetzen stapeln sich um die winzige grüne Samtcouch. »Gezählt habe ich schon lange mehr, wie viele Dinge ich in diesem Raum habe«, sagt Insterburg. Er sitzt kurz auf der Couch und trinkt Tee. Acht alte Teekannen stehen auf dem kleinen Tisch vor ihn, für jede Lieblingsteesorte nutzt er eine andere.

Auch der Keller gehört ganz Insterburgs Karriere. Hier baut er seine skurrilen Instrumente: Eine Flöte aus einer Bürste, ein Saxofon aus einem Abwasser-Schlauch und ein Banjo aus einem Eimer. Hier stapeln sich neben einer Werkbank mit Säge, Hammer und Sekundenkleber Schaumstoff-Stücke, die Trommel einer alten Waschmaschine wartet auf Weiterverarbeitung auf einem Schrank und an den Wänden hängen immer wieder Bilder.

Daneben probt der 75-Jährige seine Parodien und Stücke, stundenlang jeden Tag. Der hagere Mann sitzt dann vor einem Keyboard, klemmt eine Geige zwischen Kinn und Schulter und spielt. Es klingt schräg und passt zu dem Mann, der sich einen »Drei-Sterne-Musiker« nennt. Drei große goldene Sterne trägt er auch mit drei Ketten auf der Brust. »Die stehen für Begabung, Fleiß und Ausdauer«, sagte Insterburg. »Besonders Ausdauer.«

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