nd-aktuell.de / 23.03.2010 / Politik / Seite 6

Erste Noten für Programmentwurf

Vor allem Regierungslinke aus dem Osten sehen Bedarf an Veränderungen

Uwe Kalbe
Schwer zu sagen, wie die Basis der LINKEN auf den Programmentwurf reagiert, der ihr am Wochenende vorgelegt worden ist. In den Medien wurden am Montag vorzugsweise führende Politiker der Partei im Osten zitiert – Politiker mit Regierungserfahrungen oder wenigstens -ambitionen.

Parteichef Lothar Bisky hatte bei der Vorstellung des Papiers am Sonnabend einen bemerkenswerten Satz gesagt: Die größte Stärke der LINKEN sei ihre Mitgliedschaft, meinte er. Die bleibe selbst dann vernünftig, »wenn die Führung mal durchdreht«. Seine Worte lassen Abgeklärtheit auch gegenüber den Äußerungen von Funktionären seiner Partei vermuten, die jetzt in großer Zahl mit kritischen Bemerkungen zitiert werden und in ihrer Summe bereits eine Revolte nahelegen.

Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch fasste am Montag zusammen, was aus den meisten Kommentaren der Genossen abzulesen ist: Am Ende werde kein Entwurf unverändert als Programm verabschiedet, auch dieser nicht. »Das ist ja keine Majestätsbeleidigung, wenn wir diesen Programmentwurf weiter qualifizieren wollen«, sagte er auf einer Pressekonferenz in Berlin. Indirekt bestätigte Bartsch damit, was die Medienöffentlichkeit und wohl auch Teile der Partei hinter der Debatte sehen: einen Streit um das Vermächtnis von Oskar Lafontaine. Seine Handschrift ist es, die viele im Programmentwurf zu erkennen meinen. Insbesondere zwei Punkte haben schnell zu Einwänden geführt: die Forderung nach Enteignungen vor allem im Bank- und Energiesektor und die teilweise als zu eng empfundenen Bedingungen, die für eine Regierungsbeteiligung der LINKEN erfüllt sein sollen. (die-linke.de/programm/programmentwurf[1]).

Sachsens Fraktionschef André Hahn plädierte dafür, im Programm stärker die Erfahrungen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, wo die LINKE mitregiert oder mitregiert hat. »Man kann als kleinerer Partner in einer Koalition nicht 100 Prozent seiner Vorstellungen umsetzen«, sagte er der »Leipziger Volkszeitung«.

Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, sieht in einem dpa-Gespräch das Privateigentum »zu negativ beurteilt. Statt die generelle Verstaatlichung der Banken zu postulieren, sollten wir darüber nachdenken, wie privates Eigentum durch gesellschaftliche Normen besser im Interesse der Allgemeinheit eingesetzt werden kann. Dazu erwarte ich sehr intensive Diskussionen«.

»Die Vorschläge sind ein Kompass, der uns die Richtung anzeigt. Sie sind kein Dogma«, sagte der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow am Montag der dpa. »Sehr gut« kann hingegen der NRW-Parteisprecher Wolfgang Zimmermann mit dem Entwurf leben. Nach seiner Einschätzung werde ihm auch die Mehrheit des Landesverbandes zustimmen.

Solche Prognosen zeigen, dass der Entwurf nicht nur Kritiker findet. Sie sind allerdings so zuverlässig wie Voraussagen zum Ergebnis der Urabstimmung, die am Montag begonnen hat. Dietmar Bartsch legte vor der Presse Wert auf die Feststellung, dass der Vorstand sich streng an die Satzung halte und hier nicht als Akteur auftrete. Das gelte auch für die Bewertung der Initiative für eine zweite Mitgliederbefragung, die gegenwärtig die notwendigen 5000 Unterstützer sammelt. Auch im Beschluss des Vorstandes vor einer Woche zum ersten Entscheid, den acht Landesverbände beantragt hatten, hieß es lediglich, man nehme den von den Initiatoren formulierten Antrag »zur Kenntnis«. Am Montag nun gingen die Vorsitzenden Bisky und Lafontaine jedoch einen Schritt weiter. In einem Brief an die Mitgliedschaft appellieren sie, den Fragen zum Personaltableau und zur Urabstimmung über das Programm zuzustimmen (Anzeige unten). Auf die Bemühungen zum zweiten Mitgliederentscheid wird in dem Aufruf nicht Bezug genommen.

Links:

  1. http://die-linke.de/programm/programmentwurf